Frauenbataillon
Ein durchdringender, alles aufschreckender Lärm. Jeder Landser kannte dieses Klappern.
Alarm! Alarm!
Die Männer sprangen aus den Erdbunkern, hetzten zu ihren Plätzen, rissen die Planen von den MGs, hieben die Verschlüsse der Munitionskästen auf, klappten die Rohre der Granatwerfer hoch, packten die Handgranaten neben sich auf den Grabenrand. Im Kompaniebunker kurbelte der Oberfeldwebel, der in Abwesenheit von Leutnant Lambordi die Kompanie führte, am Feldtelefon und rief das Bataillon und den etwas rückwärts in Reserve liegenden Kompanie-Haupttrupp an.
Alarm vom vorgeschobenen Posten. Noch ist nichts zu sehen. Sie müssen sich anschleichen.
Im Bereich des Regiments klingelten die Alarmglocken. Die Artilleriestellungen wurden besetzt, die im Erdeinsatz stehende Flak, das beste Mittel gegen die sowjetischen T 34-Panzer, war in Minutenschnelle schußbereit. In der zweiten Linie wurden die schweren Minenwerfer geladen. Weiter hinten, zwischen Regiment und Brigadestab, warteten fünf Tiger-Panzer, um notfalls einen Durchbruch abzuriegeln.
Der Unteroffizier Fernando Bruzzi hatte unglaubliches Glück. Wie tot lag er neben seinem gefallenen Leutnant, als sich ein Mädchenkopf über den Rand des Postenloches schob. Wirkungsvoll hatte er das Kinn heruntergeklappt, seinen Körper bizarr verdreht.
Die Mädchenaugen musterten ihn kalt und schienen überzeugt zu sein, obgleich man den Einschuß nicht sehen konnte, weil der Stahlhelm über die Augen gerutscht war. Der Kopf verschwand wieder. Dann glitt der weiße Schatten den anderen nach und wurde eins mit der verschneiten Steppe, noch bevor aus dem feindlichen Graben die Leuchtkugeln in den Nachthimmel zischten.
Fernando Bruzzi kroch mit zitterndem Körper zurück. Er plumpste zwei Kameraden in die Arme, verlor plötzlich die Beherrschung, begann grell zu schreien, schlug um sich, trat, spuckte und kratzte und gab erst Ruhe, als man ihm zweimal gegen das Kinn schlug. Dann saß er stumpf im Bunker, starrte mit leeren Augen um sich und lallte:
»Weiber! Wei – Weiber … Wa – wa – wackeln mit den Brüs – brü – brüsten … Wei – wei – Weiber – «
Mit einem Transportschlitten brachte man ihn zum Hauptverbandsplatz.
»Schock«, sagte der Stabsarzt, der ihn untersuchte. »Der hat einen gewaltigen Schock weg! Kann sein, daß er für immer 'ne Macke behält!« Er gab Bruzzi eine Morphiuminjektion – was anderes hatte er nicht – und hoffte, daß der Betäubungsschlaf den Schock beheben würde. »Ist bei euch da vorn der Notstand so gewaltig? Was will der bloß immer mit seinen wackelnden Titten?!«
»Uns liegen Frauen gegenüber, Herr Stabsarzt«, sagte der Feldwebel, der Bruzzi zum Hauptverbandsplatz gebracht hatte. »Scharfschützinnen! Und sie klauen uns die Posten. Wer hätte schon an so etwas gedacht? Das darf doch gar nicht wahr sein …«
Am nächsten Morgen schon lag die Meldung bei der Heeresgruppe Don. Der Ib übergab sie Generalfeldmarschall v. Manstein persönlich. Mit unbewegter Miene, wie es seine Art war, las Manstein den Bericht. Auch als er damit fertig war, zeigte sein scharf geschnittenes Gesicht mit der Adlernase keinerlei Regung. Er ließ das Blatt Papier auf den mit Karten bedeckten Schreibtisch fallen und blickte seinen Ib kühl an.
»Das kann doch nur ein Witz sein, mein Lieber!«
»In Verbindung mit dem Heldentod von Oberst v. Rahden, Major Schlimbach und Major Halbermann gewinnt die Meldung an Wahrhaftigkeit. Auch sie wurden anscheinend von den Frauen überrascht. Es steht außer Zweifel, daß der Gegner in diesem Frontabschnitt ein Frauenbataillon eingesetzt hat. Zumindest eine Spezialeinheit.«
»Geben Sie das als Kuriosum weiter an das OKH!« sagte v. Manstein abweisend. Er hatte ganz andere Sorgen, als daß ein paar Frauen, die angeblich mit entblößtem Oberkörper italienische Vorposten klauten, ihn hätten aus der Fassung bringen können. Die Nachrichten, die bei ihm zusammenliefen, setzten sich zu einem erschreckenden Bild zusammen. Die Rote Armee hatte ihren Offensivaufmarsch beendet. Allein in seinem Frontabschnitt, der Heeresgruppe Don, lagen seinen dezimierten, zum Teil nur auf dem Papier existierenden Truppen fünf sowjetische Armeen gegenüber. Seine Anfragen beim Führerhauptquartier in Rastenburg wurden hinhaltend und mit Versprechungen beantwortet. Alle Blicke waren auf Stalingrad gerichtet. Dort starb die 6. Armee einen grausamen Tod. 360.000 deutsche Soldaten gingen elend zugrunde. Aber sie fesselten
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