Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Minderwertigkeit! Und Sie sitzen hier herum, obwohl Sie das Zeug haben, alle diese Untermenschen zu schlagen und zu beweisen, was Germanenrasse ist! Grinsen Sie nicht, Peter! Wir wissen, wie hervorragend Sie laufen können und wie weit Sie springen. Wir wissen, daß Sie im Sport eine Kanone sein könnten, ein Rammbock, der diese ganzen Weichlinge aus Amerika in die Ecke fegt! Peter – zerreißt es nicht Ihr deutsches Herz, daß ein Neger drei kleine Eichen mitnimmt, die der Führer gestiftet hat?! Drei deutsche Eichen in einem Negerslum! Haben Sie die Wochenschau gesehen? Der Führer war wie versteinert. Der Reichssportführer war dem Weinen nahe. Göring saß wie erstarrt. Der Jubel der Amerikaner und ihrer Freunde muß dem Führer wie eine Verhöhnung der weißen Rasse geklungen haben! Und was tun Sie, Peter Hesslich? Sie tun gar nichts – und damit verraten Sie Ihr Vaterland! Rührt sich da bei Ihnen kein Gewissen?«
    Hesslich verspürte keinerlei Gewissensbisse. Niemand kann mich dazu zwingen, zu laufen, zu springen, am Reck zu schwingen, am Barren zu grätschen oder eine Kugel zu stoßen. Weder der Gauleiter noch der Führer persönlich. Man kann Muskeln nicht befehlen. Man kann nicht Ergebnisse auf Zehntelsekunden genau vorplanen. Immer ist da ein Mensch beteiligt, ein anfälliger Körper, ein unkontrollierbarer Unsicherheitsfaktor.
    Peter Hesslich stand damals gerade im Abitur. Sein Vater war Studienrat für Erdkunde und Französisch und bei seinen Schülern am Wuppertaler Schlageter-Gymnasium sehr beliebt. Im Französisch-Unterricht erzählte er manchmal von seinen Studienjahren in Paris und Grenoble, von den Skiabfahrten in den verschneiten Hochalpen und einem abenteuerlichen Urlaub in Algerien, dem Atlas-Gebirge und den riesigen Sanddünen des großen Erg. Damit stand dann das Thema für die nächste Erdkundestunde fest. Ohne Zweifel war Friedrich-Wilhelm Hesslich ein guter Pädagoge, der seine Schüler zu fesseln verstand. Aber gerade das machte ihn bei der NS-Lehrerschaft und beim Provinzialschulkollegium in Düsseldorf verdächtig und unbeliebt. Die Erweckung von Fernweh lag nicht im Interesse der völkischen Erziehung. Die Jungvolk- und Hitlerjugend-Abende am Samstag und der Sonntag, der als Staatsjugendtag dem HJ-Dienst vorbehalten war, waren entschieden höhere Ziele als die schmierigen Lehmhütten der Berber. Und überhaupt – mußte ein Lehrer für Französisch unbedingt so frankophil sein, daß er von den Savoyer Alpen schwärmte? Ist denn Versailles schon vergessen? Der Schmachfriede 1918? Die Demütigung Deutschlands im Spiegelsaal? Die Reparationen? Die Rheinlandbesetzung durch die Franzosen? Und Schlageter, nach dem das Gymnasium benannt wurde, dieser aufrechte deutsche Patriot, der den Nachschub der Besatzungstruppen in die Luft sprengte und dafür von den Franzosen am 26. Mai 1923 auf der Golzheimer Heide bei Düsseldorf standrechtlich erschossen wurde? Ja, um alles in der Welt, konnte sich ein deutscher Studienrat über so etwas einfach hinwegsetzen?
    Man beobachtete Friedrich-Wilhelm Hesslich sehr genau und kreidete es ihm im geheimen auch an, daß sein Sohn Peter, der für den Sport geradezu geboren schien, so gar nichts für den Ruhm Großdeutschlands leisten wollte. Es war eine Atmosphäre allgemeinen Mißtrauens, in der Peter aufwuchs und die ihn nie wieder losließ. Sie klebte an ihm wie ein Muttermal.
    Nach dem Abitur wurde er nicht, wie sein Vater gehofft hatte, auch Lehrer, sondern kümmerte sich mehr um die Natur, um Pflanzen, Bäume und Tiere. Er wollte Förster werden. Irgendwie paßte das zu ihm: Wer in seine weichen Augen blickte, verstand plötzlich, daß Peter Hesslich stundenlang auf einem Hochsitz oder hinter einem Busch sitzen konnte, um Tiere zu beobachten. Für den nationalsozialistischen Sport war er damit endgültig verloren. Während andere im Schweiße ihres Angesichts trainierten, stapfte er durch die Wälder, hörte dem Eichelhäher zu, erfreute sich am Klopfen der Spechte, belauschte die Balz der Auerhähne und lernte auf einer Waldlichtung, auf warmem, duftendem Moos, von einer reifen Frau die Finessen der Liebe. Bisher hatte Peter Hesslich immer nur gleichaltrige Mädchen gekannt, die seufzend auf dem Rücken lagen. Nun fiel er in die erfahrenen Hände der Frau des Forstamtmanns – und seine Liebe zur Natur potenzierte sich noch.
    Er war nun Forsteleve in der Vorbereitung für die Forstakademie und wurde von Freunden bestürmt, doch der SA beizutreten, der

Weitere Kostenlose Bücher