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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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will als laut weinen.
    In dieser winzigen Zeitspanne lag Hesslichs Chance. Er wußte nicht, wo genau das Mädchen lag, sondern sah nur den Gerümpelhaufen neben den Schafen, die jetzt laut blökten und sich aneinanderdrängten. Und in diesen Haufen schoß er hinein, wahllos und wütend, weil man ihn hatte leerlaufen lassen.
    Du Aas, dachte er. Du bist ein Profi, das hast du jetzt bewiesen. Du bist eine von denen, die meine Kameraden mit eiskalter Präzision abgeknallt haben. Wie viele hast du schon in deinem Schußbuch stehen, he? Zehn oder zwanzig oder noch mehr? Aber jetzt bin ich da, und du kannst dein Trefferbuch wegwerfen, du brauchst es nicht mehr! Einem Peter Hesslich entkommst du nicht.
    Er wartete. Von draußen kam keine Reaktion. Die Scheunenwände und die lärmenden Schafe dämpften die Schüsse so sehr, daß schon in den Gärten kaum noch etwas zu hören war. Oder war er wirklich allein mit diesem Mädchen? Arbeitete heute sonst niemand im Dorf?
    Noch einmal schoß er in den Gerümpelhaufen.
    Hinter einer Kiste zuckte Schanna Iwanowna zusammen und fiel nach hinten. Ein Eimer polterte um und verriet ihr Versteck. Ihre linke Schulter brannte und zuckte wie unter elektrischen Schlägen. Sie spürte die Wärme des auslaufenden Blutes und wußte, daß sie getroffen war. Verzweifelt versuchte sie sich aufzurichten, das Gewehr, das ihr entfallen war, wieder aufzuheben, um sich selbst zu erschießen. Aber sie hatte plötzlich keine Kraft mehr, sich zu bewegen.
    Nie in Gefangenschaft, dachte sie. Nie! Was haben wir bei Oberst Olga Petrowna Rabutina gelernt: Es läßt sich immer verhindern, lebend in die Hand der Deutschen zu fallen. Die letzte Möglichkeit besteht darin, den Feind in die Hoden zu treten. Dann wird er dich erschlagen. Aber noch besser ist es, ihn gar nicht erst mehr zu sehen. Ihr müßt sterben, bevor ihr im Verhör schwach werdet! In Gefangenschaft geht ihr nie! Ihr nicht!
    Sie erreichte ihr Gewehr nicht mehr. Der Deutsche stand bereits vor ihr und beugte sich über sie.
    Schanna Iwanowna wollte Hesslich in die Hoden treten, aber auch die Beine versagten den Dienst. Sie zitterte. Der Schuß mußte einen Nerv getroffen haben, der den ganzen Körper in Aufruhr versetzte. Sie schloß die Augen, um das verhaßte Gesicht des Deutschen nicht zu sehen. »Schieß!« sagte sie. »Schieß doch endlich, du Hund!«
    Hesslich verstand sie nicht. Er sah das Blut, das an der linken Schulter durch den Stoff drang und riß ihr die Bluse vom Körper. Sie trug nichts darunter. Ihre kleinen, festen Brüste kamen seinen Händen entgegen, als er ihren Oberkörper festhielt. Sie wehrte sich gegen seine Berührung und bäumte sich auf. Als er sie auf den Boden drückte, spuckte sie ihm sogar ins Gesicht.
    »Nun paß mal auf, du Katze!« sagte Hesslich schwer atmend. Auf einmal war der Mensch unter ihm kein Feind mehr, kein Kameradenmörder, kein Wesen, das man töten mußte, um das Leben anderer zu retten, sondern ein kleines, blutendes Mädchen, das versuchte, um sich zu schlagen und dem man doch helfen mußte. »Du verstehst mich nicht und ich verstehe dich nicht. So verwundet wie du bist, kann ich dich nicht mitnehmen. Aber ich kann dich auch nicht einfach liegen und krepieren lassen. Dazu bist du zu jung und zu hübsch – und überhaupt, ich kann das nicht. Als Förster habe ich gelernt, was ein Fangschuß ist. Wenn du ein Tier wärst, würde ich ihn dir geben. Aber du bist ein Mensch. Ich könnte dich auch erschießen, nur weil ihr es auch so macht. Keine Gefangenen! Aber auch das geht nicht, mein Kind! Ich kann doch kein wehrloses Mädchen umlegen! Dämliche Lage, was? Schade, daß du mich nicht verstehst. Wenn ich nur wüßte, was draußen los ist …«
    »Hund!« sagte Schanna Iwanowna und knirschte laut mit den Zähnen. »Du Hurendreck von einem Deutschen! Bring mich um!«
    Hesslich hob die Schultern. »Wenn ich das verstehen könnte. Nach 'ner Liebeserklärung hört es sich jedenfalls nicht an. Was machen wir nun? Zuerst verbinden, was? Nein, zuerst Sicherheit!«
    Er ließ Schanna los, nahm ihr Gewehr und hieb es gegen einen alten Balken. Beim dritten Schlag flog der Kolben weg, beim fünften zersprang das Schloß und knickte der Lauf. Mit von Entsetzen geweiteten Augen sah Schanna ihm zu.
    Mein Gewehr, dachte sie, mein geliebtes Gewehr! O dieses Schwein. Wenn er mich getötet hätte, wäre das eine Erlösung gewesen. Aber er tötet mein Gewehr … es zerspringt … ich höre es schreien … mein Gewehr

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