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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Folge geleistet.
    Schanna schob den Riegel der Scheunentür zurück und trat ein. Oben unter dem Dach legte langsam und lautlos Peter Hesslich den Sicherungsflügel seines Gewehres mit dem Daumen um. Zum ersten Mal sah er eines dieser sagenhaften Mädchen aus der Nähe. Greifbar nahe war sie … Er konnte die Blumen auf dem Kopftuch zählen, Sommerblumen und Rispen … Die Druckfarben waren sehr ausgebleicht. Das Tuch hatte Flecken.
    Da ist sie nun, dachte Hesslich. Ein Mädchen, zum Töten erzogen. Ein wirklich hübsches Mädchen, das seinen Herzschlag vergißt, wenn es den Gegner im Fadenkreuz hat. Er atmete flach und verhalten und sah, wie Schanna Iwanowna zwischen die Schafe trat und ihnen die Wolle kraulte.
    »Gleich geht es auf die Weide. Nur Geduld, ihr Lieben!« sagte sie. Ihre Stimme war hell und kindlich. Fast tänzelnd bewegte sie sich. Aus einer Ecke holte sie jetzt zwei Eimer und ein hölzernes Joch, an das sie die Eimer hängen wollte.
    Aha, dachte Hesslich, zuerst holt sie Wasser und tränkt die Schafe. Wo sie weiden, ist keine Tränke. Er wartete, bis Schanna die Scheune wieder verlassen hatte, anscheinend um aus einem nahegelegenen Brunnen Wasser zu schöpfen. Ein verrückter Gedanke hatte sich seiner bemächtigt: Ich nehme sie mit. Ich überwältige sie und bringe sie als Gefangene nach drüben.
    Die erste Gefangene des geheimnisvollen Frauenbataillons!
    Die Sekunde der Überraschung mußte genügen. Dieser Blitzschock, der sie treffen würde, wenn er sie anrief. Nur wie er sie bis zum Kahn am Donez bringen konnte, war ihm noch nicht klar. Und vor allem: War sie allein? Oder arbeiteten ringsherum in den Gärten die anderen Mädchen?
    Hesslich schwang sich aus seinem Versteck, trat an das Tor und spähte hinaus. Die noch bleiche Morgensonne lag über Stille und Einsamkeit. Er sah das Mädchen mit den gefüllten Wassereimern am Joch zurückkommen. Es war allein. Nichts regte sich in dem zerschossenen Dorf.
    Hesslich sprang lautlos zurück, ging hinter einem niedergebrochenen Balken in Deckung und wartete, bis Schanna in die Scheune kam. Er bewunderte ihren trotz der derben Militärstiefel leichten Gang und sah zum erstenmal voll ihr Gesicht. Große, schwarze, herrliche Augen, ein schmaler Mund, starke Backenknochen. Unter dem Kopftuch lugten schwarze Haarsträhnen hervor und hingen über ihre Stirn. Die Schafhirtin Schanna Iwanowna vom Baikalsee, das Mädchen mit dem zweitbesten Trefferbuch der Abteilung Bajda. Sie war vorgeschlagen zur Verleihung des Suworow-Ordens in Bronze, einer der höchsten sowjetischen Tapferkeitsauszeichnungen.
    Hesslich holte tief Atem. Schanna hatte die Eimer abgestellt, das Joch ins Heu geworfen und band jetzt ihr Kopftuch los.
    Jetzt, dachte Hesslich. Nur jetzt … in dieser Sekunde denkt sie an alles andere, nur nicht, daß ein Deutscher hinter ihr stehen könnte. Ihr ist heiß. Sie wird die Haare schütteln, vielleicht sogar die Bluse aufknöpfen … Mein Mädchen, in einer Sekunde verändert sich dein Leben!
    Er hob das Gewehr in Brusthöhe, holte tief Atem und brüllte dann laut in die Stille. »Stoj!«
    Der Blitz, der durch Schanna fahren und sie lähmen sollte, blieb aus. Sie war weder gelähmt noch willenlos. Sie reagierte auf den Anruf ohne zu denken, nur aus einem Reflex heraus, und dies mit der Geschmeidigkeit eines wilden Tieres. Ihr schlanker Körper schnellte hoch, wirbelte herum, stürzte neben den Schafen in einen Haufen Gerümpel. Es war Hesslich, der von dieser Reaktion einen Augenblick lang wie gelähmt war, da er einfach nicht begriff, wie ein Mensch derartig schnell das Gegenteil von dem tat, was eigentlich von ihm erwartet wurde. Kaum hatte er diesen Schock überwunden, da hörte er auch schon den ersten Schuß und schnellte sich nun seinerseits zur Seite, rutschte in eine Ecke und wartete.
    Schanna Iwanowna biß sich in die Unterlippe. Erst als sie das warme Blut spürte, das ihr übers Kinn tropfte, löste sie den Biß. Daneben! Zum erstenmal danebengeschossen! Tränen der Wut rannen aus ihren Augen, ihre Lippen zitterten und die Hände verkrampften sich um das Gewehr. Es hatte alles geklappt – keine Schrecksekunde, im Sprung noch das Gewehr an sich reißen, im Niederfallen sich drehen und beim Aufkommen auf dem Boden zielen und schießen. Aber sie hatte nicht getroffen. Das war für sie ungeheuerlich, ihre Enttäuschung war grenzenlos. Sie schluckte leise und war plötzlich nur noch ein junges Mädchen von achtzehn Jahren, das nichts anderes tun

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