Frauenbataillon
hab's versucht, Großväterchen, und es ist genehmigt worden.«
»Dein Mann ist Offizier, was?«
»Nein. Kommissar …«
Das Großväterchen sah sie mit zusammengekniffenen Augen an und nuckelte an seiner Pfeife. »Was ist er? Kommissar? Hehe …«
»Ja, politischer Kommissar …«, sagte Praskowja stolz.
Der Alte hüstelte, holte Luft und spuckte dann Praskowja wohlgezielt auf die linke Schulter. Erstarrt blieb die Miranskaja stehen, bis das Großväterchen im Magazin verschwunden war. Sie überlegte, ob sie laut schreien sollte: »Er hat die Frau eines Kommissars angespuckt, weil ihr Mann ein Kommissar ist!« Aber dann war sie sich ungewiß, welche Wirkung ein solcher Aufschrei haben würde, packte ihren Leinensack und ging hinüber zu dem Haus, über dessen Tür ein Schild mit der Aufschrift KOMMANDANTURA hing.
Fomascha wird sich freuen, dachte sie. Ich bringe ihm einen großen Butterkuchen mit und 300 Gramm Wodka.
Es war Praskowja Iwanownas Unglück – oder Glück, es kommt ganz darauf an, wie man es sieht –, daß der diensthabende Offizier des Bataillonsstabs, der die Verhältnisse draußen beim Frauenbataillon genau kannte, gerade in der Banja saß und sich in einem großen Holzbottich von einem Sanitäter abschrubben ließ. So wurde das mutige und liebevolle Weibchen in der Schreibstube von einem Unterleutnant empfangen, der erst vierzehn Tage beim Bataillon war; ein junges Burschen aus Kamtschatka, das keine Ahnung hatte, was sich weiter vorne in den Zeiten der himmlischen Ruhe so alles tat. Er war beschäftigt mit der Registrierung der neu herangeführten Truppen, die aus allen Teilen der Sowjetunion zusammenkamen, um eine neue Armeegruppe zu bilden – die Steppenfront von Generaloberst Konjew. Vier sowjetische Garde-Armeen lagen allein in dem kleinen Abschnitt am Donez – von Prochorowka bis Woltschansk, auf einer Strecke von knapp 100 Kilometern. In diesen kleinen Raum marschierten ausgeruhte, gesunde, bestens verpflegte und ausgerüstete, von Kampfgeist beseelte Truppen einzig zu dem Zweck auf, die erwartete deutsche Sommeroffensive, von der die Spionagestelle ›Luzy‹ in der Schweiz laufend berichtete, aufzufangen und dann in einem gewaltigen Gegenstoß zu vernichten. Es sollte ein Vorwärtsstürmen werden, wie es dieser grausame Krieg noch nie gesehen hatte … ein Siegeszug bis nach Polen hinein, bis Berlin, bis zur endgültigen Vernichtung der deutschen Armeen. Auf lächerliche 100 Kilometer vier intakte, frische Garde-Armeen – und nicht nur am Donez sah es so aus. Überall an den Fronten, von Leningrad bis zum Schwarzen Meer, bot sich das gleiche Bild. Die Rote Armee marschierte mit 860 Divisionen auf, mit 8.400 Panzern und 20.770 Geschützen. 5.512.000 russische Soldaten standen bereit, um mit einer beispiellosen Feuerwalze die Deutschen zu überrennen. Und wenn der Satan nicht auf der deutschen Seite half, müßte das Vorhaben gelingen. Was hatten die Deutschen dem schon entgegenzusetzen? 2.468.500 müde, ausgemergelte, von dauernden Rückzügen und Abwehrkämpfen zermürbte Landser, die ihre Munition zählen mußten und denen der Sprit für die Fahrzeuge fehlte. Dazu lächerliche 8.037 Geschütze und 2.304 Panzer, von denen ganze 700 voll einsatzbereit waren!
Und das war nur die russische Front. Afrika war bereits verloren, Rommel zurückgekehrt vom Wüstenabenteuer. Im Mittelmeerraum bereiteten die Alliierten die Landung in Italien vor. Der erste Stoß sollte Sizilien treffen. Hier, an der mehr als weichen Südflanke, glaubte man, zum Sturm auf Deutschland selbst ansetzen zu können. Wenn von Italien aus die Amerikaner und Engländer die Front aufrollten, wenn Rußland mit seiner Feuerwalze die deutschen Armeen vor sich hertrieb, dann würde es kein Halten mehr geben, die unvorstellbare Tapferkeit und die Ausdauer der deutschen Truppen halfen da auch nichts mehr.
Noch schlief die Front in diesen warmen Junitagen, und niemand ahnte, daß das friedliche Land, auf das die Sonne herabschien, bald zu einem riesigen Friedhof werden sollte.
Es kam, wie es kommen mußte! Der junge Unterleutnant aus Kamtschatka, der zwar die große Strategie nicht überblicken konnte, wohl aber alle Hände voll zu tun hatte mit der Registrierung des ständig anrollenden Nachschubs an Menschen und Material, empfing Praskowja Iwanowna in großer Zeitbedrängnis. Er überflog das Papier aus Moskau, eben jenen Passierschein, knallte den Bataillonsstempel darunter, unterschrieb und sagte: »Es ist alles in
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