Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
weitere Zusammenarbeit … für beide Teile hemmend wirken könnte». Doch wie wenig alle Beteiligten die unmittelbar drohende Gefahr für die Jüdinnen erkannten, zeigt sich in dem Antwortschreiben, das die Vorsitzende des
JFB
an Zahn-Harnack schickte: «Es bleibt uns Frauen, die wir so fest in der Frauenbewegung und allem, was damit verbunden ist, wurzeln, nur übrig, jeder an seiner Stelle unentwegt seine Pflicht zu tun … und auf einen Wandel im Zeitgeschehen und in der Gesinnung zu hoffen, der unseren Idealen wieder günstiger ist.»
Unterm Nationalsozialismus
Was war aus dem Versprechen geworden, die Frauenfrage durch den Nationalsozialismus zu lösen (so Paula Siber von Groote) oder aus der Frauenbewegung eine Volksbewegung zu machen? Zunächst ist festzuhalten: Schon nach sechs Monaten nationalsozialistischer Herrschaft waren etwa 100.000 Menschen, Kommunisten, Sozialdemokraten, engagierte Demokraten, darunter viele Juden, aus politischen Gründen in «vorbeugender Schutzhaft», wie der juristische Terminus lautete, und wurden von dort in die neu errichteten Konzentrationslager deportiert. Nach Feststellung des Völkerbundes hatten bis 1935 mehr als 80.000 Menschen Deutschland verlassen, weil sie wegen ihrer «Rasse», ihrer politischen Haltung oder ihrer Kunstauffassung verfolgt wurden. Speziell Frauen traf eine Reihe einschneidender Gesetze und Verordnungen, die sie gemäß nationalsozialistischer Weltanschauung wieder auf ihren Platz in Familie und Haus verweisen sollte. Dazu gehörten Ehestandsdarlehen, die «abgekindert» werden konnten, die Entlassung von Beamtinnen, Lohn- und Gehaltskürzungen von weiblichen Berufstätigen. 1933 wurde ein Numerus clausus von 10 Prozent für Studentinnen eingeführt, seit 1936 durften Juristinnen weder Richterin, Staatsanwältin oder Rechtsanwältin werden. Rassegesetze ermöglichten massenhafte Sterilisationen und Abtreibungen auseugenischen Gründen und verboten die Ehe mit Juden, Farbigen und Zigeunern. Trotz dieser existenziellen Beschränkungen und Diskriminierungen stieg die Erwerbsquote der Frauen, erst recht mit dem Beginn der Kriegsvorbereitungen, entgegen allen ideologischen Steuerungsversuchen; es gab die Pflichtjahrmädel und den Reichsarbeitsdienst, aber auch im Krieg keinen allgemeinen Arbeitszwang für «arische» Frauen (vgl. Frevert 1986, 209f.). Gleichzeitig gehörten 1941 von den rund 30 Millionen Frauen über 18 Jahre in Deutschland ca. 6 Millionen Frauen, d.h. jede fünfte, der
NS-Frauenschaft
bzw. dem
Deutschen Frauenwerk
, dem Dachverband aller gleichgeschalteten Frauenverbände und -organisationen, an. 4,5 Millionen Mädchen zwischen zehn und 18 Jahren waren 1944 Mitglieder im
Bund Deutscher Mädel (BDM)
, weitere Zwangsmitgliedschaften bestanden für alle werktätigen Frauen in der
Deutschen Arbeitsfront
(Benz 1993). «Alle deutschen Frauen unter einer Führung …, eine Organisationsform, die sich dem Wesen der Frau anpasst, in der sich das kleine Ich dem großen Du – dem Volk – unterordnen muss», verkündete die Reichsfrauenführerin
Gertrud Scholtz-Klink
(1902–1999), die 1934 Gottschewski abgelöst hatte und bis 1945 sowohl die
NS-Frauenschaft
als auch das
Deutsche Frauenwerk
leitete. War die so errungene und erzwungene Massenloyalität eine soziale oder politische Bewegung, wie die
NSDAP
als Partei
und
Bewegung von sich behauptete?
Die sozialwissenschaftliche Forschung hat sich darauf verständigt, dass der Bewegungsbegriff auch auf konservative, restaurative oder rechtsextreme und rechtspopulistische Gruppierungen anwendbar ist, obgleich Bewegung per definitionem auf Veränderung und demokratische Einflussnahme zielt. Die großen modernen sozialen Bewegungen des 19. Jahrhunderts, Liberalismus, Sozialismus und Feminismus, waren demokratische Bewegungen, hatten, wie ihr erster Theoretiker Lorenz von Stein um 1848 feststellte, «in allen Völkern wie in allen Gestalten, eine gemeinschaftliche Grundlage gehabt. Das war der Gedanke der rechtlichen Gleichheit der Menschen.» Im Nationalsozialismus oder Faschismus aber ging es bei der Organisierung von Aufmärschen und Versammlungen darum, «die Massen zu ihremAusdruck (beileibe nicht zu ihrem Recht) kommen zu lassen» (Benjamin 1968, 48). Kann deshalb die totalitäre antiemanzipatorische Instrumentalisierung von Frauen bzw. die massenhafte Zustimmung und Beteiligung der überzeugten Funktionärinnen, der Mitläufer und Opportunisten als Nachfolgeorganisation der bürgerlichen
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