Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
fand eine Annäherung der beiden internationalen Frauenbünde
ICW
und
IAW
statt. Deshalb wurde zur besseren Vertretung im
Völkerbund
ein gemeinsamer Ausschuss der internationalen Frauenorganisationen gegründet.
Auf der internationalen Bühne waren die deutschen Frauenorganisationen seit 1922 also wieder vertreten mit
Gertrud Bäumer
(1873–1954) in der Hauptrolle. Und sie spielte sie gekonnt. In ihrem Bemühen, Deutschland wieder zu Glanz und Größe zu verhelfen, zeichnete sie verantwortlich für die nationale Orientierung des
BDF
und verstand es, «nationale Politik durch internationale Arbeit zu betreiben» (Schaser 2000, 95). Zwar hatte Bäumer 1919 den Vorsitz im
BDF Marianne Weber
(18701954) überlassen, die ihn jedoch nach dem Tode ihres Mannes Max Weber an Emma Ender weitergab. Trotzdem behielt Bäumer auch als zweite Vorsitzende alle Fäden in der Hand. Sie und ihre Lebensgefährtin Helene Lange, von der sie in die Frauenbewegung eingeführt worden war und mit der sie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in vielfältigen Funktionen zusammen arbeitete und wirkte, verkörperten beide Macht und Autorität sowie jene Kultur der «Weiblichkeit», die in der Öffentlichkeit der Frauenbewegung ihre Verehrung als «Führerinnen» begründete (vgl. Margit Göttert 2000). Die wesentlich jüngere Gertrud Bäumer machte in der Weimarer Zeit eine für Frauen bis dahin beispiellose Karriere: Als Mitbegründerin der
DDP
an der Seite von Friedrich Naumann und Theodor Heuss war sie bis 1932 Abgeordnete im Reichstag. 1920 wurde sie zur Ministerialrätin ins Ministerium des Inneren berufen und in dieser Eigenschaft in zahlreiche Ämter und Gremien delegiert. Gleichzeitig veröffentlichte sie Bücher und Essays und gab die Zeitschrift
Die Frau
und zusammen mit Theodor Heuss die liberale Zeitschrift
Die Hilfe
heraus.
Krise und Auflösung des
BDF
Zum Ende der 1920er Jahre zählte der
BDF
etwa 1 Million Mitglieder – Doppelzählungen waren bei der komplizierten Organisationsstruktur nicht auszuschließen. Dieser Zuwachs verdankte sich verschiedenen Berufsverbänden, vorrangig aber dem zunehmenden Einfluss der mitgliederstarken und konservativen Hausfrauen- undLandfrauenverbände (
RDH
und
RLDH
), die mit dem Ziel, den Platz der Frau in Haus und Hof als Beruf zu verteidigen, den politischen und emanzipatorischen Zielen der Frauenbewegung im Grunde entgegenarbeiteten. Zusammen mit der
Vereinigung evangelischer Frauenverbände
, der Nachfolgeorganisation des von Paula Müller-Otfried gegründeten
DEF
, der schon 1918 aus Protest gegen die Stimmrechtsforderungen ausgetreten war, sowie anderen völkisch-konservativen Gruppierungen wie dem
Königin-Luise-Bund
bildeten sie eine «nationale Opposition» innerhalb und außerhalb des
BDF.
Die Stellungnahme und Beteiligung des
BDF
an einer Unterschriftensammlung zur Abrüstungskonferenz des Völkerbundes 1932 in Genf, zu der weltweit der
ICW
sowie die
IFFF
aufgerufen hatten, waren nur noch der vorgeschobene Anlass für die Hausfrauenverbände, den Bruch mit dem
BDF
auch formal zu vollziehen.
Auf der anderen Seite fehlte der alt gewordenen Organisation der Frauenbewegung auch der Nachwuchs, es stellte sich das Generationenproblem aller sozialen Bewegungen (vgl. Karl Mannheim 1928). Seit Mitte der 1920er Jahre wurde das Nachwuchsproblem auf Tagungen und in den Zeitschriften der Bewegung wiederholt kontrovers diskutiert. Die Generation der ‹neuen Frau›, der sich nicht nur die Universitäten, sondern in großer Zahl auch die Büros und sozialen Berufe geöffnet hatten und deren Lebensentwürfe die Errungenschaften der Alten ganz selbstverständlich voraussetzten, hielt die Frauenbewegung für überaltert und überflüssig. In der Zeitschrift
Die Studentin
und in
Die Frau
kritisierten sie den Führungsstil, den «Ton der Rechtelei» und die Männerfeindlichkeit sowie den Apparat der Frauenverbände, der in seiner Organisationsweise erstarrt sei. Andere, wie die 1931 zur neuen Vorsitzenden des
BDF
gewählte
Agnes von Zahn-Harnack
(1884–1950), sprachen zur gleichen Zeit auf der Leipziger Bundestagung offen von «Stillstand, wenn nicht Rückschritt».
Mit der Verschärfung der wirtschaftlichen und politischen Krise und dem Zulauf zur nationalsozialistischen Bewegung seit den Reichstagswahlen 1930 geriet die Frauenbewegung zunehmend von allen Seiten in die Defensive. Auch von den demokratischenParteien kam keine Schützenhilfe. Es bestand in Wirklichkeit kein Interesse an der
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