Frauenbewegung und Feminismus - eine Geschichte seit 1789
Frauenbewegung gelten? Die NS-Führerinnen wollten diesen Eindruck erwecken, z.B. indem sie auf dem Nürnberger Parteitag 1937 die «Bilder deutscher Frauenführerinnen», von Louise Otto bis Helene Lange, in der Ausstellung
Einsatz der Frau in der Nation
im Großformat an die Wand hefteten. Die historische Antwort war in diesem Fall eindeutig. Nachdem mit der Auflösung des
BDF
Deutschland in den internationalen Organisationen
ICW
und
IAW
nicht mehr vertreten war, besaß Scholtz-Klink die Dreistigkeit, sich um Aufnahme in den
ICW
zu bemühen. Dies wurde aber von der Präsidentin Lady Aberdeen abgelehnt mit dem Hinweis auf Verletzung der «Goldenen Regel» durch die Nazis. Denn seit 1888 hieß das Leitmotiv und Motto des
ICW
: «Do unto others as ye would that others should do unto you» («Tue anderen, wie du willst, dass sie dir tun»). Die 1936 revidierte Verfassung des
ICW
betonte noch einmal, eine «Föderation aller Rassen, Nationen, Religionen und Klassen» zu sein.
Entwicklung und Folgen der Politik von und gegen Frauen im Nationalsozialismus können hier nicht weiterverfolgt werden, doch sie bleiben der Hintergrund für die Frage, wie die Vertreterinnen der alten Frauenbewegung diesen Abbruch, das Ende ihrer Organisationen und feministischen Projekte erlebt und überlebt haben. Diese Frage ist nicht allgemein oder verallgemeinernd zu beantworten. Weder ist es angemessen, der Frauenbewegung insgesamt «protofaschistische Tendenzen» nachzuweisen, noch kann es darum gehen, Frauen und die Frauenbewegung als Opfer eines männlichen Chauvinismus in Gestalt des Nationalsozialismus zu entschuldigen. Frauen haben sich wie alle Deutschen sehr unterschiedlich verhalten, die Täter-Opfer-Kategorien können die vielfältigen Schattierungen zwischen Mittäterschaft und Widerstand nicht erfassen, wie auch der in der Geschlechterforschung geführte «Historikerinnenstreit» aufgezeigthat (vgl. Heinsohn et al. 1997). Offensichtlich aber hat die Geschlechterdifferenz in diesem Erleben eine geringere Rolle gespielt als die politische Kategorie «Rasse» (Bock 1997, ebd.)
Die Jüdinnen, d.h. die Frauen unter den Deutschen, die jetzt als solche identifiziert wurden, waren als Erste in Gefahr. Und es waren verhältnismäßig viele, die aus dem Bildungsbürgertum kommend in der Frauenbewegung Ämter und Funktionen bekleideten (vgl. Klausmann 1997). Aus den Spitzenpositionen des
BDF
betraf dies z.B.
Alice Bensheimer
(1864–1935) im engeren Vorstand und Schriftführerin des
BDF
von 1905 bis 1931, oder
Alice Salomon
. Anlässlich ihres 60. Geburtstages war sie 1932 noch für ihre Verdienste um die Sozialarbeit von der Berliner Universität mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Medizin hoch geehrt worden. Kurz danach verlor sie 1933 alle öffentlichen Ämter und wurde 1937 von der Gestapo aus Deutschland ausgewiesen. 1939 wurden ihr zudem die deutsche Staatsangehörigkeit und ihre Doktorwürde aberkannt. Der Weg ins Exil führte sie über England in die Vereinigten Staaten, wo sie sich bis zuletzt vergeblich um die Veröffentlichung ihrer Autobiografie bemüht hatte. Seit 1945 Ehrenpräsidentin des
ICW
und im
Internationalen Komitee sozialer Schulen
, ist sie 1948 in New York gestorben.
Der von
Bertha Pappenheim
(1856–1936) 1904 gegründete
Jüdische Frauenbund
hatte 1933 etwa 50.000 Mitglieder mit 430 Vereinen. Pappenheim hatte sich insbesondere im Kampf gegen Mädchenhandel engagiert, ein Heim für «gefährdete» Mädchen in Neu-Isenburg gegründet, war Präsidentin des
Weltbundes jüdischer Frauen
und hat viel publiziert. Die Vereinsaufgaben hatte sie nach 1933 an jüngere Frauen wie
Ottilie Schönwald
(1883–1962, bis 1938 Vorsitzende des
JFB
), Hannah Karminski und Cora Berliner abgegeben. Doch sie hatte geglaubt, dass auch nach 1933 für die jüdische Gemeinschaft ein Bleiben in Deutschland möglich sei. Erst nach Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze 1935 und einer Vorladung bei der Gestapo gestand sie, sich geirrt zu haben. Pappenheim starb 1936. Von nun an drehte sich bei den Verbliebenen alles um die Organisation der Auswanderung. Zunächst entschieden sich sehr viel weniger Frauen zur Auswanderung,weil sie anfangs noch leichter Arbeitsplätze in den jüdischen Haushalten finden konnten oder bei der Pflege ihrer alten Eltern unentbehrlich waren. Erst als der Männerüberschuss in den Exilländern zu einem Thema wurde, änderten die mit der Auswanderung befassten jüdischen Organisationen wie der
Reichsverbund
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