Frauenversteher
Speiseröhre und dem männlichen Sprachzentrum ausmachen. Wenn nämlich die Biernebenhöhle nicht ausreichend mit Bier gefüllt ist, dann wird das Sprachzentrum im Gehirn des Mannes nicht einmal ansatzweise aktiviert und der Mann bleibt stumm.
Genau aus diesem Grunde werden Sie auch beobachten können, dass die Bestellung des Bieres in einer reinen Männergruppierung
anfangs beinahe nonverbal vonstattengeht. Nehmen wir einmal an, dass eine freundliche Dame an den Herrentisch kommt, um die Bestellungen aufzunehmen. Anfangs wird der erste Mann aus der Gruppe nicht viel mehr sagen als: »Pils.« Die anderen vier Männer werden kurz einatmen und mit einem herzhaft bestätigenden »Jou!« ihre Bestellung aufgeben. Eine erfahrene Servicefachkraft wird dann natürlich wissen, dass diese fünf Männer mit diesen knappen Anweisungen jeweils ein Bier bestellt haben.
Nach gut drei bis fünf Minuten, in denen die Männer kaum ein Wort sagen, bringt die Bedienung fünf frisch gezapfte Biere. Ein gut gezapftes Bier sollte entgegen einer weitverbreiteten Meinung nicht etwa sieben Minuten benötigen, da in dieser Zeit das Bier warm wird und Kohlensäure entweicht. Nach zwei Minuten sollte ein frisches Bier gebrauchsfertig sein. Rechnen wir noch etwas Zeit für die Wege der Servicefachkraft hinzu, kommen wir auf drei bis fünf Minuten, in denen sich die Männer am Tisch in wohliges Schweigen hüllen.
Ist das Bier aufgetischt, können wir oftmals ein uraltes, geradezu rituelles Verhalten beobachten. Die Männer ergreifen zeitgleich ihre Getränke, heben die Gläser, prosten sich zu und trinken gemeinschaftlich den belebenden Gerstensaft. Männer sind in solchen Dingen überaus strukturierte Wesen. Das Bier läuft innerhalb der Speiseröhre hinunter Richtung Mageneingang, wobei es die seitliche Öffnung zur Biernebenhöhle passiert und aufgrund der bereits erwähnten Kapillareffekte auch in die Biernebenhöhle eindringt, diese rasch auffüllt und schließlich das Sprachzentrum im Gehirn des Mannes erreicht. Dort eingetroffen lösen die reichhaltigen Mineralstoffe und Spurenelemente in der für Bier typischen Kombination eine faszinierende Folge von Reaktionen aus.
Wenn, wie in unserem Beispiel, einer der Männer etwas zu sagen hat, wird er relativ abrupt die Hand heben und etwas verlauten lassen wie: »Also passt mal auf, Leute! Mir ist da neulich ’ne Mördergeschichte passiert, die muss ich euch erzählen.« Ein kurzer Satz, den wir uns genauer anschauen sollten,
weil wir an ihm schon eine ganze Menge typisch männlicher Kommunikationsmuster erkennen können.
Der strukturierte Ablauf männlicher Kommunikation
Fangen wir damit an, dass der Mann seinen Arm gehoben hat. Mit dieser für alle deutlich sichtbaren Geste kündigt er offiziell und formal korrekt seinen Gesprächsbeitrag an. Bereits damals in der Schule hat er dieses Verhalten erlernt und tief verinnerlicht. Erst aufzeigen und dann reden, wenn man »dran« ist. Einfach so loszuquatschen, gilt unter Männern als respektlose Unhöflichkeit. Indem der Mann aufzeigt und seiner Geste den klar definierten Phraseologismus 29 »Also passt mal auf, Leute!« folgen lässt, wird die Aufmerksamkeit der anderen am Tisch auf ihn fokussiert, und nun kann er quasi unmittelbar anschließend die Thematik des folgenden Gespräches ankündigen: »Mir ist da neulich ’ne Mördergeschichte passiert, die muss ich euch erzählen.«
Die »Mördergeschichte« ist Inhalt, Thema, neudeutsch »Content«, des nun folgenden Gespräches. Die anderen Männer am Tisch werden diese deutlichen Signale weder übersehen noch überhören, und sie werden sich nun kurz, aber gründlich der Frage zuwenden, ob die angekündigte Thematik interessant klingt. Da in unserem Beispielfall das Thema ausreichend dramatisch formuliert wurde, können wir davon ausgehen, dass dem aufzeigenden Manne volle Aufmerksamkeit zuteilwerden wird. Die anderen Männer am Tisch hören sehr aufmerksam, stillschweigend zu und stellen vor allen
Dingen keine unqualifizierten Zwischenfragen, die den Sprecher lediglich in seinem Redefluss behindern oder vom Thema ablenken würden. Der Wortführer darf also die gesamte »Mördergeschichte« in aller Ruhe und sehr strukturiert vortragen. Dauer, Tempo, Intonation und Sprachmelodie kann der Redner nach eigenem Gutdünken bestimmen, je nachdem, was die Geschichte erfordert.
Am offiziellen Ende der Geschichte wird nicht selten gemeinschaftlich gelacht, denn Männer beenden ihre Erzählungen
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