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Frauenversteher

Frauenversteher

Titel: Frauenversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Hoefer
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gern mit einer Pointe. Nun ist es an den Zuhörern, die Geschichte lobend anzuerkennen und damit dem Redner Respekt zu zollen: »Hahaha, Mördergeschichte, wirklich ganz große Klasse!« Danach heben die Männer abermals ihre Gläser, prosten sich erneut zu, und die Runde ist offen für den nächsten Redner, wenn er denn die Regeln für eine gelungene männliche Gesprächseröffnung befolgt, die ich hier noch einmal kurz zusammenfasse:
     
    1. Hand heben, »aufzeigen« und für alle deutlich hörbar eine knappe Aufmerksamkeitsaufforderung verlauten lassen.
     
    2. Wenn Sie der erste Redner sind, reicht ein »Alle Mann hergehört!« oder Ähnliches völlig aus. Sollten Sie der Zweite in der Runde sein, zollen Sie dem Erstredner Respekt für seine Geschichte. Um dann aber die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sollten Sie mindestens so etwas sagen wie: »Also, Leute, das war ja noch gar nichts …!«, damit Sie einen befriedigenden Aufmerksamkeitslevel erreichen. Steigerungen in der Rhetorik sind in Männergruppen durchaus erwünscht. Halten Sie da nicht hinter dem Berg.
     
    3. Die Thematik des folgenden Vortrages muss so deutlich wie möglich, am besten wie die Überschrift in einem Sachbuch, vorangestellt werden, damit alle Zuhörer wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie dem Vortrag folgen.
     
    4. Die Thematik muss ausreichend dramatisch formuliert werden und darf keinesfalls als Frage daherkommen. Männer, die ihr Gespräch mit der vermeintlich rhetorischen Frage »Darf ich euch mal was erzählen, was ich ein bisschen merkwürdig finde?« eingeleitet haben, wurden nicht selten mit einem knappen »Nö« zum Verstummen gebracht. Wenn Sie also etwas zu sagen haben, fragen Sie nicht, ob Sie es tun dürfen, gehen Sie forsch voran und schmücken Sie das Thema Ihres Vortrags mit Superlativen, Akronymen und großen Worten aus, dann wird Mann Ihnen auch zuhören.
     
    5. Erzählen Sie in einer gut durchstrukturierten Geschichte, was Ihnen passiert ist, was Sie erlebt haben oder was Sie von anderen berichten können, und enden Sie, wenn möglich, mit einer Pointe, die Ihre Zuhörer zum Lachen bringt.
     
    6. Erwarten Sie nicht, dass Ihnen während der Erzählung Fragen gestellt werden, das gilt unter Männern als unhöflich. Mann lässt sich ausreden und hebt sich eventuelle Fragen für den Schluss des Vortrags auf. Wenn Sie innerhalb Ihres Vortrages nicht auf Fragen verzichten möchten, dann stellen Sie bitte nur rhetorische Fragen, die die Dramatik oder die Komik Ihrer Geschichte unterstreichen.
     
    Diese Art männlicher Gesprächseröffnungen habe ich auf meinen Tourneen schon oft beobachten können. Besonders schön finde ich, dass sich dieses Schema reihum mit leichten oder starken Steigerungen wiederholen kann, sodass jeder der redewilligen Männer mindestens einmal die Möglichkeit zu einer eigenen Eröffnung bekommt. Danach gehen die Männer entweder nach Hause oder es folgt eine neue Runde. Im Prinzip kann das immer munter neu herumgehen, bis irgendwann die Biernebenhöhle überläuft. In diesem Fall lösen sich die vorangegangenen klaren Gesprächsstrukturen nach und nach auf und sind nicht länger eindeutig beschreibbar, was nicht weiter schlimm ist, da wir immer weniger klare Kommunikationsstrukturen
und immer mehr geselliges Beisammensein beobachten werden.
    Wenn Sie, meine Damen, diese Zeilen lesen, fragen Sie sich vielleicht, ob Sie diese Art der Kommunikation adaptieren können, um als Frau in einer sonst von Männern dominierten Gesprächsrunde Gehör zu finden. Ich kann Ihnen bestätigen: Ja, Sie sollten es auf jeden Fall ausprobieren! Ich habe Fälle erlebt, in denen Frauen, die mit der oben beschriebenen »männlichen« Kommunikationsvariante in einer Männerrunde gearbeitet haben, begeisterte Aufmerksamkeit seitens der Männer erfuhren und nach einer irgendwie gearteten »Mördergeschichte« regelrecht erleichtert gefeiert wurden.
    Falls Sie, meine Damen, auf Lob und Anerkennung männlicher Gesprächspartner Wert legen, probieren Sie mal aus, was passiert, wenn Sie einerseits deutlich sichtbar den rechten Arm heben und andererseits unmittelbar danach lautstark verkünden: »Ey Leute, aufgepasst, mir ist da neulich ’ne MÖRDERGESCHICHTE passiert, die muss ich euch jetzt mal erzählen!« Vorausgesetzt Sie enttäuschen die gesteigerte Erwartungshaltung der Männer dann nicht durch eine öde »Mädchengeschichte«, sondern haben etwas wirklich Deftiges zu erzählen, könnten Sie am Ende vielleicht

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