Frauenversteher
in einem glatten Rutsch locker durcherzählen, schön mit Pointe am Schluss?«
Es ist also für beide mehr als unbefriedigend, und weil der Mann wirklich gar nichts sagt, weil er zwar aufmerksam, aber beinahe stumm vor ihr sitzt, denkt die Frau nach einer Weile: »Rede ich gegen eine Wand?« Aus lauter Verzweiflung übernimmt sie dann irgendwann selbst all die Rollen im Gespräch, die sonst ihre Freundinnen übernehmen. Sie muss jetzt das gesamte Gespräch, quasi mit verteilten Rollen, ganz allein führen, was sie nicht wirklich gern tut, aber sonst geht es ja gar nicht voran! Auf einmal also sprudelt es mit vielen Zungen aus ihr heraus:
»Oh Mann! Mit Beate war ich auf dem Markt, von Sören die Beate, Gabi war doch auch mal drei Monate mit dem zusammen, die hat doch damals Pickel von dem gekriegt, erinnerst du dich? Jedenfalls hat Beate mir gesagt, dass Sybille schwanger ist. Schwanger! Trotz Pille! Sie kann sich gar nicht erklären, wie das passiert sein soll, aber so was kommt ja ab und zu
durchaus vor, nicht wahr? So was kann passieren. Jedenfalls sei das überhaupt nicht schlimm, sagt Sybille, im Gegenteil, weil es wohl ein Zeichen sei, sie hätte sich heimlich schon lange ein Baby gewünscht, und nun sei es trotz Pille einfach so passiert. Außerdem sei sie ja schon über dreißig, genau wie ich (!), und da würde es ja dann auch langsam Zeit, wenn man heimlich einen Kinderwunsch hat, oder? Andreas weiß es natürlich noch nicht, es soll heute Abend eine Überraschung für ihn werden. Ist das nicht wunderbar?«
Ganz im Sinne einer weiblichen Gesprächseröffnung ist die Frau hier sofort mitten im Thema, ohne es allerdings zuvor explizit, quasi mit Überschrift, deutlich erkennbar formuliert zu haben.
An die Adresse der männlichen Leser: Können Sie an dieser Stelle sagen, um welches Thema es der Frau geht? Falls ja, dann sind Sie schon ein gutes Stück vorangekommen auf dem Weg zum Frauenversteher. Falls Sie keinen blassen Schimmer haben, machen Sie sich nichts daraus, das geht den meisten Männern so. Hier die Übersetzung für Sie: Die Frau hätte natürlich auch gern ein Baby und denkt, dass die unverhoffte Schwangerschaft ihrer besten Freundin eine gute Gelegenheit sei, um mit ihrem Partner darüber zu sprechen. Außerdem wäre es doch toll, wenn die beiden besten Freundinnen zur gleichen Zeit Babys hätten, dann könnten sich alle so schön zum Babytreff verabreden, man könnte sich gegenseitig Tipps geben, Erfahrungen austauschen und gemeinsam viele tolle Sachen erleben.
Aber wie ergeht es dem Mann in unserem Beispiel? Er hört die ganz Zeit hochkonzentriert und absolut aufmerksam zu. Seine Stirn liegt in runzeligen Falten, und sein Mund steht leicht offen. An dieser Stelle des Gespräches hat er inzwischen drei Probleme gleichzeitig, was ihn komplett überfordert. Er würde das nie laut sagen, Männer sind höflich (die meisten), aber während er nun diese schier unglaubliche Flut an Informationen, die plötzlich auf ihn einströmen, zu verarbeiten hat, gehen ihm ein paar Sachen durch den Kopf.
Der weibliche Dunstkreis – ihre Freundinnen
Das Erste, was der Mann an dieser Stelle denkt, ist: »Wer, in Gottes Namen, sind diese ganzen Leute, von denen sie da redet?« Einige Namen scheinen ihm geläufig, es muss sich um Freundinnen seiner Partnerin handeln, aber in welchen Beziehungen stehen diese Leute zueinander, welche besondere Bedeutung kommt ihnen im Gesamtzusammenhang der von ihr vorgetragenen Geschichte zu? Der Mann würde an dieser Stelle am liebsten zunächst auf einem DIN-A1-Präsentationsbogen ein Beziehungsdiagramm, ein sogenanntes Soziogramm, mit Pfeilanalyse anfertigen, um die genauen persönlichkeitsbezogenen Strukturen zu visualisieren.
Vielen Männern geht es mit dem weiblichen Freundeskreis ihrer Liebsten so. Sie können die vielen Freundinnen nicht ausschließlich über die akustische Formulierung des Namens auseinanderhalten. Sabine, Sybille, Beate, Gabi, Charlotte, Dorothea, Patrizia, Claudia und wie sie alle heißen mögen … Ohne Bild und besondere Kennzeichen ist es für Männer schwer, sie alle als Individuen wahrzunehmen. Die Freundinnen erscheinen ihm, wenn nur von ihnen geredet wird, wie ein leicht nebulöser, weiblicher Dunstkreis, eine amorphe Schwarmintelligenz, die in der Lage ist, die Stimmungen und Meinungen der Partnerin extrem zu beeinflussen.
Hilfreich ist es da, wenn sich der Mann beizeiten ein paar passende Attribute für die Freundinnen der Partnerin
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