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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Finger auf dem Bildschirm herumtippte. Ein bedienungstechnischer Quantensprung gegenüber der Zeit, als man noch mit dem Finger auf Tasten herumtippen musste, das sah selbst ich.
    »Aber höchstwahrscheinlich nicht seine Gewohnheiten«, sagte ich, und Heckenpennes nickte. »Genau. Wenn wir also wissen wollen, wie Peelaert mittlerweile aussieht, brauchen wir aktuelle Fotos von ihm. Und die bekommen wir am einfachsten, indem wir uns mit seinem Steckenpferd beschäftigen.«
    »Das wird kein Spaß«, meinte ich. Heckenpennes nickte erneut und konzentrierte sich dann wieder ganz auf seinen Rechner.
    »Wie erreiche ich dich?«, wollte er plötzlich wissen. Hm. Gute Frage. »Ich habe dieses Diensthandy«, fiel mir ein, und ich holte es aus der Tasche. »Aber …«
    »Aber du weißt die eigene Nummer nicht.« Heckenpennes gab einen leicht mitleidigen Seufzer von sich. »Zeig mal her.«
    Er nahm das Handy mit der Linken, griff mit der Rechten sein eigenes und drückte Tasten, bis sein Klingelton losdüdelte. Irgendeine klassische Ouvertüre. Es klang wie etwas von Schostastochowitsch. »Ich hab meine Nummer unter >H< gespeichert«, sagte er und gab mir mein Handy zurück. »Hast du eigentlich inzwischen wenigstens wieder einen PC?«
    »Nein«, antwortete ich fest. »Ich hab’s damals versucht und außer Pornografie nichts gefunden, das von Relevanz oder auch nur Interesse für mich gewesen wäre. Seither spielt sich mein Leben wieder offline ab.«
    »Kristof, wirst du jemals im einundzwanzigsten Jahrhundert ankommen?«
    »Das genauso beginnt, wie das dreizehnte geendet hat? Mit einem weltumspannenden Religionskrieg? Wozu die Eile?«
    »Ich meine technologisch.«
    »Ja, genau, technologisch: Mich haben sie in exakt dem Augenblick verloren, als sie >Technik< zu >Technologie< aufgeblasen haben.«
    »Es gibt kein Zurück zu Telegraf und mechanischer Schreibmaschine, Kristof.«
    »Sagst du. Davon abgesehen, habe ich ja dich für diesen ganzen Blödsinn.«
    »Heckenpennes für den Blödsinn«, knurrte er und hob suchend einen Wäschestapel vom Sofa. »Wie schmeichelhaft.« Mit nachdenklicher Miene sah er sich um, trat an den Esstisch, verschob einen Haufen Pizzakartons und nickte zufrieden. »Trotzdem«, meinte er und reichte mir ein Notebook. »Wir müssen die nächste Zeit in engem Kontakt bleiben. Unten im Labor habe ich eine weltweite Suchaktion gestartet, nach Yoginda Khan genauso wie nach Benjamin Peelaert. Sobald Ergebnisse kommen, sollten wir die schnellstmöglich auswerten.«
    »Weltweit?«, fragte ich. »Wie habe ich mir das vorzustellen?«
    »Unsere Scanner, Kristof, verkaufen wir unter anderem an … tja, Dienste. Zugeschnitten auf deren Anforderungen. Wenn wir dann mit etwas Neuem einen Testlauf starten, dann unterstützen die schon mal unsere Bemühungen.« Er grinste selbstzufrieden, wie es Leute mit Privilegien gern tun. »Was immer wir also herausfinden, schicke ich dir augenblicklich aufs Notebook. Also schau regelmäßig rein.«
    Und so fand Kristof Kryszinski doch noch den Anschluss ans aktuelle Millennium. Ich verließ das Gebäude von Hedgesleeper Solutions mit dem Klappdings unterm Arm und kam mir wie ein Poser vor.
    Dr. Korthner und ich sahen uns an, sahen einander ins Gesicht.
    »Es gab mal eine Zeit«, meinte er, »da habe ich Schlaf für überbewertet gehalten.«
    »Lange her«, sagte ich, und er nickte. Ohne dass wir gemeinsam vor einen Spiegel getreten wären, war nicht recht zu entscheiden, wen von uns beiden die dunkleren Augenringe zierten.
    Mit einem leisen Ächzen und großer Selbstverständlichkeit hievte der Doktor seinen Hintern auf eine Bahre, die von einer goldenen Folie bedeckt war, unter der sich die Umrisse einer sehr, sehr ruhig daliegenden Person abzeichneten.
    »Hitze, Drogen, Alkohol, krimineller Leichtsinn«, zählte er auf und gab der Folie einen demonstrativen Klaps, ohne dass es die darunterliegende Person auch nur im Geringsten zu stören schien. »Dazu wachsende Verrohung und generelle Übersexualisierung, und mir geht die Arbeit nicht aus.«
    »Mir genauso wenig«, musste ich feststellen.
    »Wäre eigentlich ein Grund zum Anstoßen«, meinte er.
    »Vielleicht finden wir ja im Herbst die Zeit.«
    Er lachte, gähnte, rieb sich die kahle Stelle an seinem Hinterkopf.
    »Also«, begann er dann in einem klinischeren Tonfall, »wir haben Ihren Freund genäht und geklammert, flächendeckend desinfiziert und verpflastert und gegen Tollwut und Tetanus geimpft. Wenn er will, kann er

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