Freche Mädchen... 08: Rosen, Chaos, Hochzeitsparty
liebsten würde ich ja gar nicht mehr mit ihm reden, aber das sieht irgendwie merkwürdig aus, unsicher womöglich, und deshalb sage ich: »Nee, das habe ich ausnahmsweise zu Hause gelassen.«
»Du hast gewaltigen Stress damit, das merkt man«, meint er und sieht mich mitfühlend an.
Ich nicke. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für einen! Ich hab jetzt immerhin rausgekriegt, dass man was drübersticken kann, aber das wird teuer und ich habe null Ahnung, wie ich das Geld zusammenkriegen soll und …«
Ich verstumme. Eine Zeit lang stehen wir schweigend nebeneinander, dann meint er: »Ich sag es dir lieber gleich, dass du eine ganze Weile auf den nächsten Bus warten darfst.«
Ich zucke nur die Schultern. »Ehrlich?«
»Klar doch. Ich habe was von Streik gehört. Aber ich kann dich auf dem Rad mitnehmen. Allerdings müssten wir vorher noch schnell bei ein paar Kumpels vom Handball vorbei.«
Anke hatte recht. Chris, dem Herzensbrecher, fällt immer etwas ein, notfalls erfindet er auch einen Streik.
»Also?«, will er wissen. »Fährst du mit?«
»Danke! Kein Bedarf!«, sage ich kurz, hole mein Handy heraus und rufe meine Nachrichten auf. Eine Entschuldige-es-tut-mir-furchtbar-leid!-Lena-ist-blöd!-Ich-liebe-nur-dich!-SMS von Jannis würde mich jetzt wieder aufbauen. Stattdessen ist da nur eine Info, dass ich ab nächstem Monat für sagenhafte drei Cent telefonieren kann. Frustriert stecke ich mein Handy weg.
»Steig schon auf!«, wiederholt er. »Da kommt heute kein Bus mehr, glaub mir.«
»Frag doch Svenja aus dem Michelangelo . Die hast du ja gestern ausgiebigst angeflirtet!«, gifte ich.
Er starrt mich an, will etwas sagen, aber ich drehe mich einfach um und studiere mit Hingabe den Fahrplan.
Als ich mich wenig später umdrehe, ist Chris verschwunden.
Wie hätte ich auch ahnen können, dass er die Wahrheit gesagt hat. Tatsache ist jedenfalls, dass wirklich kein Bus kommt. Total genervt rufe ich schließlich Natascha an und erfahre von ihr, dass heute die Busfahrer streiken. »Ich hab gerade die Meldung im Autoradio gehört«, meint sie. »Der Streik geht mindestens bis heute Abend. Soll ich dich irgendwo abholen?«
»O ja, bitte. Ich vergeh nämlich vor Hitze!«, rufe ich. »Ich stehe an der Haltestelle in der …« Ich stocke. Was erzähle ich Natascha, wenn sie fragt, was ich im Industriegebiet zu suchen habe?
»Hallo? Ich hör dich so schlecht, kannst du lauter reden? Ich bin in einer Viertelstunde da! Du bist doch vor der Schule, oder?«
Bevor ich noch etwas erwidern kann, ist die Verbindung weg. Großartig, denke ich, das wünscht man sich, mit einem schweren Rucksack durch die halbe Stadt zu rennen, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Dass ich aber eine Viertelstunde später sehr gut gelaunt in Nataschas Auto steige, liegt zum einen daran, dass ich das Telefonbuch, das mindestens zwei Kilo wiegt, kurzerhand in eine Altpapiertonne am Straßenrand geworfen habe. Im Zeitalter des Internets braucht man sowieso kein Telefonbuch mehr. Und, noch viel wichtiger: Ich habe an einem Bauzaun ein Plakat entdeckt:
Flohmarkt der Albertus-Magnus-Schule am nächsten Samstag von 8–12 Uhr
Hurra! Zumindest meine finanziellen Probleme sind damit gelöst.
»Hast du zufällig unser Telefonbuch versteckt?«, fragt Natascha auf der Fahrt nach Hause.
»Telefonbuch?« Mir fällt nichts anderes ein, als Echo zu spielen.
Natascha sagt erst einmal gar nichts, denn sie ist damit beschäftigt, in die Schnellstraße einzufädeln, und ich habe Zeit, mir eine passende Antwort auszudenken. Leider bin ich im Moment so was von blockiert. Es scheint, dass die Begegnung mit Chris mich vollends geschafft hat.
»Eh … also … Telefonbuch«, stottere ich, damit überhaupt etwas gesagt ist.
»Ich habe es heute Morgen auf den Esstisch gelegt, damit ich daran denke, gleich einen Schlosser anzurufen, und jetzt ist es verschwunden. Zurzeit kommen mir einige Dinge im Haus sehr merkwürdig vor, zum Beispiel …«
»Ach ja«, unterbreche ich sie hastig, »das wollte ich gerade fragen: Was ist mit dem Schloss im Badezimmer?«
»Alles in Ordnung, dein Vater hat es hingekriegt.«
»Dann brauchen wir ja keinen Schlosser mehr!« Und auch kein Telefonbuch, füge ich in Gedanken hinzu.
»Wir nicht, aber Lorraine. Sie will ein Sicherheitsschloss einbauen lassen, weil in letzter Zeit angeblich so viel eingebrochen wird. Unsere liebe Nachbarin glaubt sogar, dass alle Häuser in der Straße ausspioniert wurden. Von einem
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