Freche Mädchen... 09: Liebe, Chaos, Klassenfahrt
Stefanie. »Ah ja, du hast viermal die Jugendherberge im Abendlicht genommen. Sieht gut aus, ehrlich. Schreibst du an deinen Vater und an deine Mutter? Und wer kriegt die anderen beiden?«
»Sei doch nicht so neugierig«, fuhr Anke sie an.
Ich setzte mich auf ihr Bett und zerriss eine Karte nach der anderen in kleine Schnipsel, bis das ganze Bett damit übersät war. Stefanie wollte etwas sagen, aber Anke hob warnend die Hand. »Lass sie«, sagte sie halblaut, »Carlotta braucht das jetzt, egal, aus welchem Grund.«
Ich holte den Papierkorb, fegte mit langsamen Handbewegungen die vielen kleinen Schnipsel hinein, hob noch ein paar auf, die auf den Boden gefallen waren, und warf sie zu den anderen. Dann stellte ich den Papierkorb an seinen Platz zurück und wandte mich zu meinen Freundinnen: »So, jetzt könnt ihr mich fragen.«
»Du findest Kartenschreiben spießig und doof«, mutmaßte Anke. »Und damit hast du gar nicht so unrecht. Ich weiß nämlich auch nicht, was ich meiner Mutter schreiben soll. ›Hier ist es ganz toll‹, habe ich geschrieben, aber eigentlich stimmt es gar nicht. Ich hab extra groß geschrieben, damit nicht so viel auf die Karte passt. Soll ich mich vielleicht noch über das Wetter auslassen?. ›Viel Regen, aber ich hab ja meine wasserdichten Sandalen dabei.‹ Oder so ähnlich. Stimmt’s Carlotta, du findest das doof?«
»Nein«, widersprach ich, »finde ich gar nicht doof. Bloß weiß ich nicht, wem ich so was schreiben soll. Meine Mutter ist irgendwo in Amerika, ich weiß nicht mal ihre genaue Adresse, und mein Vater freut sich wahrscheinlich mehr über Post von Natascha als von mir.« Ich überlegte kurz, ob ich den beiden von der Sache mit dem gelben Sportwagen erzählen sollte. Aber vielleicht war es besser, wenn nicht allzu viele Leute davon wussten. Mir musste allein eine Möglichkeit einfallen, Jannis aus der Patsche zu helfen.
»Das bildest du dir ein«, versuchte Stefanie mich zu trösten. »Wahrscheinlich freut sich dein Vater über Post von euch beiden.«
»Aber da kann er lange warten«, sagte ich leise. »Die Karte von Natascha schwimmt nämlich mittlerweile in der Kanalisation von Erdmannsweiler.« Und ich erzählte von der Karte und was ich damit gemacht hatte.
»Ich helf dir«, sagte Anke nach kurzem Nachdenken. »Wir werden Natascha so auf die Palme bringen, dass sie nicht mehr weiß, wie viel eins und eins ist. Aber ich glaube, das weiß sie sowieso nicht«, fügte sie nach kurzer Pause hinzu.
Ich lächelte. Es tat gut, eine Freundin zu haben. Einen Moment lang war wieder alles wie früher zwischen uns. Aber dann fiel mir Jannis ein und ich spürte dieses bohrende Gefühl in der Brust. Mein Herz tut weh, dachte ich.
Komisch, Papa behauptet immer, er habe sein Herz verloren, wenn er sich verliebt hat. Aber ich hatte mich verliebt und merkte zum ersten Mal ganz deutlich, wo mein Herz ist. Ob es Natascha auch so geht?, überlegte ich flüchtig. Vielleicht tut ihr auch das Herz weh, wenn sie an Papa denkt.
»Und was machen wir mit Jannis?«, fragte Anke nach einer Weile.
Stefanie malte lauter kleine Herzen auf die Karte an ihre Familie und schwieg. Ich sagte ebenfalls nichts. Wie könnte ich ihm bloß helfen, überlegte ich. Und dann hatte ich die Idee. Ich würde behaupten, mich heute Morgen um halb sechs draußen mit Jannis getroffen zu haben. Vogelstimmenbeobachtung! Dann hätte Jannis ein Alibi!
»Sag mal, Carlotta, kannst du nicht heute noch mal mit ihm reden und ich guck dann, wo ihr seid und komme ganz zufällig da vorbei. Du winkst mir dann zu und …« Anke sah mich fragend an.
Schwungvoll malte Stefanie ein letztes Herz und setzte dahinter ein dickes Ausrufungszeichen. »Ich finde nicht, dass Carlotta schon wieder mit ihm reden sollte«, sagte sie langsam. »Ich hab überhaupt noch nichts in der Sache gemacht. Jetzt bin ich mal dran. Ich geh nachher runter und suche Jannis. Dann geh ich mit ihm Richtung Speisesaal und du kommst die Treppe runter, Anke, einverstanden?«
Anke schüttelte den Kopf. »Nein«, meinte sie, »Carlotta hat schon mal damit angefangen und …« Sie sah Stefanie an und biss sich verlegen auf die Unterlippe. »Versteh mich nicht falsch, Stefanie, aber du bist so ein Typ, in den verliebt sich wahrscheinlich jeder Junge. Und Jannis ist mir eben sehr wichtig, verstehst du. Nicht dass du denkst, ich würde dir so was zutrauen, aber …«
»In Ordnung, ich verstehe schon«, sagte Stefanie. »Aber von meiner Seite aus brauchst du da
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