Freche Mädchen... 09: Liebe, Chaos, Klassenfahrt
Putzfrau, dass ich Ansichtskarten und Briefmarken kaufen wollte.
»Ich kann im Moment hier nicht weg«, sagte die Frau. »Aber geh einfach mal rein, die Tür ist nur angelehnt, such dir die Karten aus und leg das Geld auf die Kasse. Eine Karte kostet fünfzig Cent und bei den Briefmarken steht’s ja drauf.«
Unschlüssig stand ich vor vier unterschiedlichen Postkartenmotiven. Sollte ich die Jugendherberge im Abendlicht nehmen oder die Ansicht von Erdmannsweiler? Ich drehte eine der Karten um, las »Kleinköngendorf«, legte sie beiseite, drehte die nächste um und stutzte. Diese Karte war bestimmt irrtümlich in den Stapel geraten. Sie war bereits beschrieben. Die Anschrift kam mir sehr bekannt vor. Und wer die Karte geschrieben hatte, war mir sofort klar, dazu musste ich erst gar nicht die ziemlich unleserliche Unterschrift entziffern.
»Mein lieber Paul«, las ich mit glühendem Gesicht, »jetzt sind wir dreizehn Stunden getrennt und mir kommt es vor wie eine Ewigkeit. Hier ist alles ganz nett, mit C. gibt es kleinere Schwierigkeiten, aber ich hoffe, dass alles gut wird. Herr D. ist ganz reizend, ich glaube, er sieht in mir seine Tochter.« Dann folgte ein unleserliches Gekrakel – wahrscheinlich tausend Küsse, dachte ich bitter – und darunter stand »Natascha«.
Niemals sollte Papa diese Karte bekommen, niemals. Ich faltete sie zusammen und steckte sie in meine Hosentasche.
»Nun? Hast du dir welche ausgesucht?«, fragte mich die Putzfrau, die inzwischen den Speisesaal fertig gewischt hatte, und sah mich prüfend an. »Oder gefallen sie dir nicht?«
»Doch, doch«, sagte ich hastig und griff nach den nächstbesten Karten.
Sie zählte sie sorgfältig ab, schrieb auf ein Stück weißen Karton »Kartenverkauf 4 x 0,50 Euro« und legte den Zettel mit meinem Zwei-Euro-Stück auf die Kasse. »Eigentlich ist das ja Sache der Chefin, aber die kann auch nicht überall zugleich sein. Außerdem hat sie im Moment genug Ärger«, fügte sie hinzu, als sie meinen Blick sah. »Hier muss schließlich alles seine Ordnung haben. Ich bin ja vielleicht gespannt, ob sie diesen Rabauken finden. Hast du vielleicht was gehört?«
»Nein«, sagte ich. Ich wusste überhaupt nicht, wovon die Frau redete, und mir war es eigentlich auch ziemlich egal.
»Jedenfalls muss er sich ziemlich verletzt haben, als er das Auto in den Graben setzte. Geschieht ihm völlig recht. Sich einfach den Wagen von der Chefin nehmen, kurzschließen und losfahren. Um halb sechs heute Morgen. Und dann noch Fahrerflucht.« Sie schüttelte empört den Kopf. »Früher gab’s so was nicht.«
»Meinen Sie den gelben Sportwagen? Der hinter dem Haus stand?«, fragte ich.
Die Frau nickte. »Wenn der Typ geschnappt wird, kriegt der ganz schön Ärger. Ich weiß ja nicht, was auf Fahrerflucht und Diebstahl steht, aber ich nehme an, ein paar Jährchen sind das schon.«
Undeutlich formten sich Gedanken in meinem Kopf. Wie hatte Jannis gesagt: »Dieser gelbe Lamborghini! Wahnsinn!« Und dann seine verletzte Hand, von der Anke gesprochen hatte. »Scheiße«, hörte ich mich sagen, »er hat Mist gebaut!«
Erschrocken sah ich mich um. Hoffentlich hatte mich niemand gehört. Was konnte ich bloß tun? Ich wollte nicht, dass Jannis für einige Jahre im Gefängnis landete.
Unschlüssig starrte ich auf die Karte in meiner Hand. Mir war klar, dass ich die Probleme der Reihe nach lösen musste. Zuerst war Nataschas Karte an Papa dran. Ich schloss mich in der Toilette ein und holte mit zitternden Fingern die Karte aus meiner Jeans. Nein, ich hatte mich nicht geirrt. Natascha sehnte sich nach Papa und der Tonfall, in dem sie das schrieb, klang ziemlich verliebt. Andererseits, die Karte war von vorgestern und vielleicht hatte Natascha erst jetzt erkannt, welche Gefühle sie in Wirklichkeit für Herrn Dannitzki hatte.
Mach dir nichts vor, Carlotta, sagte ich mir, als ich wieder in unser Zimmer ging, Papa und Natascha lieben sich und Herr Dannitzki liebt seine Frau.
Langsam öffnete ich die Zimmertür. Anke und Stefanie starrten mich an, als wäre ich ein Gespenst. »Wo warst du denn so lange?«, fragte Anke besorgt. »Du bist ja total bleich. Geht es dir schlecht?«
»Du hast übrigens die Karten an der Rezeption liegen lassen. Die Putzfrau hat sie vorbeigebracht. Ist das nicht nett von ihr?« Stefanie hielt mir meine vier Ansichtskarten entgegen. Dass ich vergessen hatte, Briefmarken für Anke mitzubringen, davon sagten die beiden kein Wort.
»Lass mal sehen«, sagte
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