Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
sich reihum von uns verabschiedet hat, habe ich geweint wie ein Baby und mich gefragt, warum immer die Guten weggehen. Ohne mit der Wimper zu zucken, hätte ich mein komplettes Taschengeld gesponsert, um stattdessen Hendrik ein One-Way-Ticket nach Usbekistan zu spendieren.
Lotta und ich erreichen die Fußgängerampel, an der sie in die Innenstadt abbiegt. Sie umarmt mich fest und ich streichle ihren Rücken. Dass wir uns morgen früh wiedersehen, spielt keine Rolle. Uns ist gerade nach großem Abschied.
»See you«, sagt sie.
»Lass dich nicht unterkriegen«, flüstere ich ihr ins Ohr, bevor ich den kurzen Restweg zügig zurücklege.
Vor dem Haupteingang des Gebäudekomplexes klopfe ich die vorderen Taschen meiner Caprihose ab, dann die hinteren. Kein Schlüssel. Mist.
Ich setze mich auf die Eingangsstufe, ziehe meinen Rucksack zwischen die Beine und beginne systematisch die Fächer abzusuchen. Weil ich nichts hartes Metallisches erfühle, schütte ich den kompletten Inhalt meiner Schultasche wieder einmal neben mich. Geschichtshefte, Fächerordner, Plastikflasche, zusammengeknüllte Alufolienkügelchen, Stiftemäppchen …
»Hoy.«
Ich blicke auf. Hendrik. Kein Muskel bewegt sich in meinem Gesicht. Freude ist was anderes. Trotzdem sage ich erleichtert: »Gut, dass du kommst …« Ich will alles wieder hastig einräumen und aufstehen, während Hendrik, dessen Calvin-Klein-Unterhose über den Bund der Hose ragt, mit dem an einer langen Kette hängenden Schlüssel die Eingangstür aufsperrt.
Da schlägt der Honk sie mir vor der Nase zu und ich stehe da mit offenem Schulranzen, aus dem noch das Mäppchen herauslugt, hängenden Armen und offenem Mund.
»Du musst endlich lernen, auf dein Zeug zu achten«, dringt es klugscheißerisch durch die geschlossene Tür. »Viel Erfolg!«
Nur mit Mühe unterdrücke ich den Wunsch, mit Schmackes gegen die Glastür zu ballern.
Aber der Gedanke an einen Flug auf Nimmerwiedersehen nach Usbekistan, der ist auf einmal wieder sehr real.
Während ich erneut mit der Schlüsselsuche beginne, formt sich in meinen Gedanken ein gnadenloser Enthüllungsbericht für die nächste Ausgabe der Insight . »Hinter den Kulissen: Wie die Schulsportstars wirklich ticken!«
Party-Alarm!
Die Musik wummert so laut aus den Boxen, dass man nah an das Ohr des Gesprächspartners herangehen und brüllen muss, um sich zu verständigen. Aber unterhalten will sich an diesem Freitagabend im Keller der GaP sowieso kein Mensch. Alle wollen abtanzen und Fun haben. Die Luft ist durchtränkt von müffeligem Jungenschweiß und blumigem Mädchenparfüm.
Offiziell ist die Schulfete für die Mittelstufe, also die achten, neunten und zehnten Klassen der Gesamtschule. Aber keiner überprüft, wer da sonst noch aufschlägt.
Von den Oberstufenschülern lässt sich allerdings kaum mal einer auf unseren Partys blicken, nur die Kids aus der Unterstufe versuchen sich regelmäßig dazuzudrängeln – und noch ein paar Gestalten, die von jemandem mitgebracht wurden und die man zum Teil gar nicht kennt. Leute, die auf keiner Party fehlen wollen.
Jenny, Amelie und ich sitzen auf einem der Tische, die an die Wände des Kellers geschoben wurden, damit in der Mitte eine Tanzfläche entsteht. Dort zappeln bereits massenweise Leute, vor allem Mädchen, im Takt.
Auch Jenny wippt mit den Füßen, offenbar heiß darauf, uns endlich auf die Tanzfläche zu lotsen. Aber Amelie braucht noch ein paar Minuten zum Warmwerden. Und mir ist sowieso nicht nach Tanzen.
Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt hier bin. Den Bericht hätte auch jemand anders schreiben können. Celine zum Beispiel, die irgendwo im Gedränge einen Elfentanz vollführt, oder Ilona, die die Fotostrecke macht.
Zwar hatte ich mich, als ich mit Lotta über die Party sprach, noch irgendwie darauf gefreut, aber zum einen hätte ich es lustiger gefunden, wenn Lotta dabei gewesen wäre, zum anderen krieg ich meinen Kopf nicht frei.
Ich drehe am Rad.
Die ganze Woche über habe ich nach Themen gesucht, mit denen wir die Insight aufpeppen könnten, habe recherchiert und Artikel begonnen, um sie gleich wieder in die Tonne zu hauen.
Mir geht es dermaßen auf den Keks, dass das verdammte Konkurrenzblatt mein Denken bestimmt. Dabei haben die diese Aufmerksamkeit gar nicht verdient.
Ich wünschte, ich könnte die Aktion voll gechillt sehen, aber ich habe inzwischen echt Bammel davor, dass tatsächlich keiner mehr unsere liebevoll gemachte Zeitschrift lesen will, wenn
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