Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
Kamera strahlt und einen silberfunkelnden Pokal mit beiden Händen über den Kopf hält. Aber ich bin die Einzige, die den Mund verzieht, die anderen johlen beeindruckt.
Dafür gefällt mir das Foto von der neuen Jazzdance-AG sehr. Ilona hat nicht etwa die ganze Gruppe fotografiert, sondern zwei Mädchen von hinten vor einem Spiegel, sodass man sie gleichzeitig von vorne sieht. Ein faszinierender Effekt – ein echter Eyecatcher.
Celine und Marvin stürzen sich auf meine Reportage übers Mobbing. Ilona und Lasse kennen den größten Teil des Textes bereits. Ich war beim Schreiben ständig mit ihnen in Kontakt, habe nur kurz vor der Konferenz noch den Gedanken von Lotta eingefügt, dass man geschützt ist, wenn man einer angesagten Clique angehört.
Auch an den anderen Texten gibt es nichts auszusetzen. Celine hat eine unterhaltsame Reportage über Jazzdance geschrieben, Marvin einen mitreißenden Sportbericht verfasst. Ilona steuert ein paar Zeilen zu meinem kleinen Artikel über die Schulfete bei. Dann gibt es noch Fremdtexte, die Lasse lektoriert hat: ein Schulausflug, ein Projekttag, die Wahl des Schülersprechers. Die »bunte Seite« mit Witzen und Sprüchen von Lehrern ist auch komplett. Jeder hat etwas dazu gesammelt und beigetragen. Insgesamt eine erstklassige Ausgabe mit einem Eins-a-Aufmacher.
Ich bin wirklich gespannt, was die No Limits außer ihrem Contest noch zu bieten hat.
Die Tür zum Redaktionsraum fliegt auf und herein kugelt Deutschlehrer Rufus Kolb. Er ist mein Klassenlehrer und, wie er mir bei jeder Gelegenheit versichert, sehr angetan von meinem schriftstellerischen Talent. Einmal hat er mir sogar unter einen Aufsatz geschrieben: »Beruflich solltest du unbedingt etwas mit Sprache zu tun haben!« Ich habe mich darüber tierisch gefreut. Immerhin ist er ein Deutsch-Profi, seine Meinung hat Gewicht.
Sein Körper auch. Rufus Kolb sieht aus wie ein Gymnastikball mit Beinen. Obenauf sitzt sein kugelrunder Kopf wie eine Billardkugel mit Katzenfell. Wir wissen alle, dass er ein Toupet trägt, und Kolb weiß, dass wir es wissen. Aber alle Witze, die einem dazu einfallen, sind bereits rausgehauen, und Kolb ist ansonsten ein cooler Typ.
Abgesehen davon, wie er sich eine Schülerzeitung vorstellt.
»Na, ihr Jung-Reporter?«, lärmt er in den Raum, zieht sich einen Stuhl heran und komplettiert unseren Kreis. Fehlt nur noch, dass er sich die Ärmel hochkrempelt und in die Hände spuckt. »Wie sieht’s aus bei euch? Was geht?«
»Alles im Lack, Herr Kolb«, meldet Marvin wie ein Unteroffizier mit der flachen Hand an der Schläfe. »Die nächste Ausgabe ist in trockenen Tüchern und geht nächste Woche in den Druck. Am Freitag liegt sie überall aus.«
»Na wunderbar! So kenne ich meine Nachwuchs-Reporter!« Weil er direkt neben mir sitzt, bin ich diejenige, die sein Schultertätscheln abbekommt. Und den Geruch nach selbst gedrehten Zigaretten, der zu ihm gehört wie ein Holzbein. Kolb wäre selbst gern in den Journalismus gegangen, wie er einmal erzählt hat. Irgendwie ist er dann doch als Lehrer hängen geblieben. Manchmal denke ich, es freut ihn, wenn wir für ihn seine Träume verwirklichen. »Finde ich gut, dass ihr euch nicht davon einschüchtern lasst, dass das Gymnasium nebenan auch eine Schülerzeitung fabriziert. Einfach weitermachen, muss die Devise sein, nicht wahr?«
Ich wechsle einen Blick mit Lasse und Ilona.
»Na ja, dass es ab jetzt Konkurrenz gibt, hat uns schon wachgerüttelt. Aber in einem positiven Sinn«, erkläre ich.
»Aha?«
»Und zwar in dem Sinn«, fährt Lasse für mich fort, »dass wir diesmal die beste Insight aller Zeiten produziert haben.«
Ein Strahlen geht über Kolbs Gesicht. Ohne Ohren würde sein Grinsen rundlaufen.
»Darf ich einen Blick reinwerfen?«
Eigentlich ist unsere Redaktion pädagogenfreie Zone. Aber Kolb hat von Anfang an mitgemischt, uns Tipps gegeben, für Sponsoren gesorgt – die Kreissparkasse und eine Supermarktkette – und als Streitschlichter gewirkt, wenn es Beef gab.
Das Problem mit ihm ist: Seine Vorstellungen davon, wie eine Schülerzeitung rüberkommen soll, unterscheiden sich voll von unseren.
Kolb findet, eine Schülerzeitung müsse vor allem witziges Zeug beinhalten, Ausflüge nachbereiten, Meldungen über Lehrerausfall und so was.
Wir aber finden, das meiste davon ist allenfalls als Lückenfüller geeignet. Der Pflichtteil. Die Kür aber ist das Spannende. Vor allem Lasse und ich versuchen stets dafür zu sorgen, dass wir
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