Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
vor der Sonne, um Richtung Bank zu schauen. Und tatsächlich – da sitzen bereits Jenny und Amelie. Aber was ist das? Jenny hockt zusammengekrümmt da, die Hände vors Gesicht geschlagen. Amelie redet auf sie ein wie eine Pferdeflüsterin.
Ich wechsle einen Blick mit Lotta.
»Wir werden gebraucht«, stellt Lotta fest.
»Nix wie hin.« Ich spurte los, Lotta hinterher.
Amelie blickt uns mit zerknautschter Miene entgegen, Jenny schluchzt in Krämpfen mit bebenden Schultern. Ihr Handy liegt neben ihr auf der Bank.
Lotta und ich knien uns vor sie hin. »Hey«, sage ich sanft und streichle Jenny über die Haare.
»Was ist passiert?«, fragt Lotta genauso leise und lieb.
Amelie greift über Jennys Rücken zu ihrem Handy. »Darf ich?«, fragt sie in Richtung Jenny. Sie nickt.
»Hier. Seht selbst.« Sie reicht uns das Telefon. Auf dem Display können wir die letzte eingegangene SMS lesen.
Hab heute doch keine Zeit. Nicht weinen! ☺ H.
Während Lotta die SMS mehrfach lesen muss und ihr Gesicht ein einziges Fragezeichen bleibt, checke ich sofort, was da passiert ist. Ich springe auf, balle die Hände zu Fäusten und hüpfe vor Wut ein paar Mal im Kreis herum. Dieser Mistkerl! Dieser Vollhorst! Da hat sich Hendrik, als Jenny ihm gegenüberstand, nicht getraut, ihr eine Absage zu geben. Das erledigt er lieber feige per SMS. Mir ist absolut klar, dass Hendrik niemals vorhatte, mit Jenny ins Kino zu gehen, wie sie es verabredet hatten. Aber dass er ihr erst Hoffnungen macht, um sie dann fallen zu lassen … Ist das etwa korrekt? Und so was ist meine Verwandtschaft!
Ich habe keine Ahnung, was einem Jungen an Jenny nicht gefallen könnte. Sie ist zum Niederknien schön. Eine Traumfrau! Sie hat es gar nicht nötig, den ersten Schritt zu machen – sie hat die freie Auswahl. Doch was tut sie? Verknallt sich in den einzigen Typen, der mehr Spaß daran hat, ihr Herz in Stücke zu reißen, als mit ihr auszugehen.
Aber ein Gutes hat die Aktion: Bestimmt ist Jenny nun von ihrer Liebe zu meinem verpeilten Bruder geheilt. Und ich hab Ruhe vor ihren Flirtversuchen, bei denen sie mich als Vermittlerin braucht.
Lotta hat Jenny ein Taschentuch gereicht. Sie schnäuzt sich laut die Nase und blickt uns mit rot geränderten Augen wie ein Albino-Kaninchen an. »Ich hab mich voll auf das Date gefreut. Gestern hab ich mir extra ein total süßes Top bei H&M gekauft …«
»Da siehst du mal«, rufe ich dazwischen. »Das ist die pure Verschwendung bei so einem Idioten. Mal ehrlich – macht man das? Am selben Tag absagen? Geht’s noch? Check das endlich, Jenny: Hendrik ist so sensibel wie ein Nilpferd. Sei froh, dass es vorbei ist. Da bleibt dir ein Drama erspart.«
Jenny reißt die Augen zur Größe von Untertassen auf. »Vorbei? Wieso glaubst du, dass es vorbei ist?«
»Äh. Hat er dir geschrieben, dass er das Date absagt? Hat er dich versetzt?« Ich weise auf das Handy, das sie wieder in den Fingern hält. »Was willst du noch mehr?«
»Aber wenn er keine Zeit hat?«
Ich glaube es nicht.
»Das heißt nicht«, fährt Jenny fort, »dass es nicht vielleicht nächste Woche klappt.« Sie richtet den Oberkörper auf, als hätte sie einen Schluck Power genommen.
»Das ist jetzt nicht wahr, Jenny, oder?«, fahre ich sie an. »Du willst es nicht wirklich ein weiteres Mal versuchen? Amelie, Lotta, sagt doch was! Helft mir, diesen Irrsinn zu beenden!«
Amelie beißt in ihren Apfel. Mit vollen Backen kauend sagt sie: »Wenn sie doch verliebt ist? Das kann man nicht mit einem Fingerschnipsen abstellen …«
»… und er hat nicht geschrieben, dass sie ihn in Ruhe lassen soll oder so. Es ging in seiner SMS nur um den heutigen Tag. Sicher ist ihm wirklich etwas Wichtiges dazwischengekommen«, haut Lotta in die gleiche Kerbe.
Ich renne gegen Betonwände. Mit dem Kopf voran. Die Beulen spüre ich als Phantomschmerz.
Als ich zu einer langen Erwiderung ansetze, ertönt der Gong, der die Pause beendet, und meine Freundinnen springen auf. Ich schlucke alles runter, was mir auf dem Herzen und auf der Zunge liegt. Seufz. Jeder muss sein eigenes Leben gehen. Man kann niemanden vor Dummheiten bewahren. Ich wünschte, ich könnte es, aber Jenny ist so verknallt und ehrgeizig. Wenn ihr in dieser Stimmung von den beiden anderen noch Mut zugesprochen wird … Wie soll ich da einen Fuß in die Tür kriegen? Hendrik ist der Typ, der niemals auch nur irgendeine Frau glücklich machen wird. Schade nur, dass mir keiner glaubt.
Als wir zum Schulgebäude
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