Freddie 03 - Wann heiraten wir Freddie
gelegt, und doch war sie jenes Familienmitglied, aus dem er sich noch am meisten machte. Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, öffnete er jetzt seine Augen und sagte: »Wie schlecht die Leute sich doch ihre Zeit einteilen. Anna in England, Angela von Kopf bis Fuß auf Mutterschaft eingestellt. Ach ja, du bist ein gutes Mädchen, Freddie«, woraufhin er in brütendes Schweigen versank und bald darauf zu dösen begann.
Freddie ging in ihr Zimmer und packte aus. Vergangene Nacht war sie viel zu müde gewesen, um sich damit abzugeben. Anschließend durchforschte sie das Haus. Es war viel geräumiger, als sie erwartet hatte, verfügte über drei schöne Schlafzimmer, ein zauberhaftes Wohnzimmer mit offenem Kamin, in dem man anscheinend ganze Baumstämme verheizen konnte, und eine urgemütliche Küche. Früher hatte die Farm einen eigenen Generator in Betrieb gehabt, jetzt konnte sie sich rühmen, an das Stromnetz angeschlossen zu sein, und das Badezimmer war geradezu luxuriös und glich nicht im mindesten dem, was man in einem Hinterwäldlerhaus vermutet hätte, wenn es auch, wie Freddie sich sagte, wirklich genau dem entsprach, was man von Vater erwartete. Einst hatte er in einer Hütte ein spartanisches Leben geführt, aber inzwischen hatte die Farm jahrelang viel abgeworfen, und er hatte sich nichts versagt.
Plötzlich rief Mrs. Wells an. »Ich leg’ mich jetzt hin, aber ich komme wie immer um zwei Uhr herunter, um mich ums Haus und ums Essen zu kümmern. Im Kühlschrank steht noch Suppe für Mr. Standish zum Mittagessen und für Sie ein Käseauflauf. Ich hab’ Hirn und Kalbsmilch bestellt, der Milchwagen soll sie heute mit heraufbringen. Man muß am Abend zuvor bestellen, dann werden sie im Tor deponiert. Ich bringe sie mit herunter, wenn ich komme. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
Freddie versicherte ihr, ja, alles ginge glatt, und fügte hinzu: »Warum überhaupt herunterkommen? Sie brauchen mehr als vier Stunden Schlaf. Ich kann schon allein zurechtkommen.« Das machte auf Louisa jedoch nicht den geringsten Eindruck. Sie betonte nur noch einmal, sie würde also um zwei Uhr bei ihr sein, und fügte energisch hinzu: »Ich habe Elizabeth gesagt, sie soll Sie in Ruhe lassen.«
Freddie war enttäuscht. Sie brannte darauf, das Mädchen endlich kennenzulernen. »Ach, aber warum denn nur? Ich glaube, Vater würde sie gerne sehen, und er ist dafür ja auch wirklich gut genug beisammen.«
Die Stimme am anderen Ende aber bemerkte nur grimmig, Elizabeth sei ein Störenfried, und legte auf, bevor Freddie widersprechen konnte.
Fünf Minuten später ließ sich ein leises Klopfen an der Hintertür vernehmen. »Ich bin Liz«, sagte das Mädchen ziemlich atemlos, »und ich bin den ganzen Weg gerannt. Ohne den Nebel wär’s mir nicht geglückt. Tante Louisa hat Augen wie ein Falke.«
Wie dünn sie ist, war Freddies erster Gedanke. Genau wie ein kleiner Junge. »Warum bist du gelaufen? Komm doch herein und zieh deinen Mantel aus.«
Das Mädchen fing an, sich aus der Ölhaut herauszuschälen, in der sie fast versank, und nahm die Mütze ab, die ihr schmales dunkles Gesicht zur Hälfte verbarg. Vergnügt und keck wie ein Gassenbub kam sie zum Vorschein: ein schmächtiges junges Mädchen mit schwarzem Haar, das ihr in einer Strähne in die Augen hing und am Hinterkopf ziemlich kurz geschnitten war, und leuchtenden grünen Augen, die für ihr Gesicht viel zu groß schienen. Nicht richtig hübsch, entschied Freddie, aber ungewöhnlich und faszinierend. Sie trug ziemlich schäbige Baumwollhosen und einen dicken groben Pullover, und ihre Stimme klang hell und angenehm. »Ich seh ’ gräßlich aus«, sagte sie, »aber das tu’ ich ja meistens. Wie ein Landstreicher, behauptet Lulu.«
»Lulu?«
» Mrs. Wells. Eigentlich soll ich ja Tante Louisa zu ihr sagen, und wenn sie in Hörweite ist, tu’ ich das auch. Aber Lulu finde ich viel schöner. So phantastisch unpassend«, und beide lachten.
»Du siehst fabelhaft aus«, fuhr das Mädchen ohne die geringste Spur Scheu oder Hemmung fort. »Da möchte ich ja fast auch Pflegerin werden. Nicht daß ich je so aussehen würde, aber die Tracht brächte mich doch ein bißchen mehr zur Geltung... Na, jedenfalls siehst du goldrichtig aus.«
»Ich fühle mich aber gar nicht goldrichtig«, klagte Freddie. » Mrs. Wells ist freundlich, aber sie weist mich einfach in meine Schranken zurück, und Vater ist schlechter Laune. Er wollte mich gar nicht da haben. Er wollte meine
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