Frederica - sTdH 6
geschlossen.
»Ich nehm'
dich mit«, sagte Frederica plötzlich. »Ich mache dich zu meiner Kammerzofe.«
»Das kann
ich nicht«, sagte Mary voller Zweifel. »Ich kenne mich nicht mit Spitzen und
Schmuck aus, und ich kann kein Französisch und ...«
»Ich könnte
es dir beibringen.«
»Aber Ihre
Ladyschaft wird es nicht wollen.«
»Sie wird
nichts dagegen haben«, meinte Frederica. »Bitte, Mary!«
»Wenn ich
mitgehe«, sagte Mary streng, »dann müssen Sie wissen, wo Ihr Platz ist, und Sie
dürfen nicht wie eine Freundin sein. Und Sie können nicht mit Ihrem Häubchen
und der Schürze hinuntergehen. Ich will Ihnen das Kleid holen, in dem Sie
gekommen sind, und während ich Sie zurechtmache, erzählen Sie mir, wie es gekommen
ist, daß Sie hier unter einem anderen Namen gearbeitet haben.«
Frederica
war in kürzester Zeit fertig, aber es dauerte eine geschlagene Stunde, bis Lady
Godolphin glaubte, daß sie bereit war, hinunterzugehen. Sie trug ein rotweiß
gestreiftes Merinokleid, das vorne weit ausgeschnitten war und die Knöchel
schamlos enthüllte. Über die kräftigen Schultern hatte sie sich einen feinen
Paisleyschal geworfen, und um den Hals trug sie eine Perlenschnur. Auf ihrem
Kopf saß ein Turban aus goldener Gaze, der mit zwei großen Straußenfedern
geschmückt war.
Der Herzog
von Pembury hatte Lady Godolphin bis zu dem Augenblick eigentlich nie gemocht.
Aber als sie jetzt mit Frederica im Schlepptau in die Bibliothek stürzte und
mit dem religiösen Eifer eines Methodisten so herbe Kritik an dem Pfarrer übte,
der gerade seine Tochter zurechtweisen wollte, daß es dem Armen die Sprache
verschlug, war der Herzog beeindruckt.
Schließlich
unterbrach sie Lord Sylvester. »Es drängt mich, zu meiner Frau zurückzukehren,
Lady Godolphin. Ich halte es für das Beste, wenn ich Frederica mitnehme.«
»Minerva
ist nicht in der Lage, eine Saison durchzustehen«, entgegnete Lady Godolphin.
»Ich werde Frederica mit zu mir nehmen. Sie kann bei mir bleiben, bis im Pfarrhaus wieder
anständige Verhältnisse eingekehrt sind.«
»Und was
hast du dazu zu sagen, Freddie?« fragte Lord Sylvester. Seine Stimme war
freundlich. Abgesehen von seiner Frau war ihm Frederica die liebste von allen
Armitage-Schwestern.
Frederica
wandte sich an Lady Godolphin. »Kann ich Mary mitnehmen?«
»Wer ist
Mary?«
»Das
Stubenmädchen, mit dem ich gearbeitet habe.«
»Ich habe jede Menge
Stubenmädchen.«
»Ich wollte
sie als meine Zofe mitnehmen.«
»Du kannst
ein Stubenmädchen nicht zu einer Zofe machen. Meine Martha ist durch meine
Schule gegangen«, sagte Lady Godolphin und drehte sich dabei langsam im
Kreis, so daß man ihre Reize von allen Seiten würdigen konnte.
Frederica
schluckte. »Ich könnte sie ausbilden. Ich könnte es wirklich.«
»Ich zahle
ihr jedenfalls keinen Lohn«, sagte Lady Godolphin.
»Ich will
sie bezahlen«, warf Lord Sylvester ein. »Du sollst dein Mädchen haben,
Freddie.«
Frederica
stürmte durch den Raum und umarmte, sich nach oben reckend, ihren Schwager. Der
Herzog von Pembury schaute mit Vergnügen zu. Er fragte sich, was die tonangebenden Leute der Londoner Gesellschaft, die in Ehrfurcht vor dem eleganten Lord
Sylvester erstarrten, wohl dächten, wenn sie ihn in diesem Augenblick sehen
könnten.
Als der
Pfarrer mit Lord Sylvester angekommen war und seine Tochter Frederica Armitage
von ihm forderte, wobei er durchblicken ließ, daß er, der Herzog, sie verführt
habe, hatte es dem Herzog großen Spaß gemacht, dem Pfarrer den Wind aus den
Segeln zu nehmen. Er teilte ihm seine Vermutung mit, daß sich die kleine
Ausreißerin als Stubenmädchen verkleidet habe und in seinem Haushalt arbeite.
»Lady
Godolphin«, sagte der Herzog, »da Lord Sylvester darauf dringt, zu seiner Frau
zurückzukehren, und da Mr. Armitage ... äh ... gewisse Angelegenheiten zu
erledigen hat, warum bleiben Sie nicht mit Miß Armitage hier? Meine Gäste
werden nur zwei Wochen lang da sein. Danach werde ich selbst nach London reisen
und kann Sie begleiten.«
»Ich bin
entzückt«, murmelte Lady Godolphin und warf ihm einen vielsagenden Blick zu, dessen
Wirkung durch eine ihrer falschen Augenbrauen, die über ihr rechtes Auge
gerutscht war, leider etwas beeinträchtigt wurde.
»Das geht
nicht«, sprudelte der Pfarrer hervor, »ich lasse ein Mädchen in so zartem Alter
nicht hier.«
»Besser
hier als dort«, fuhr ihm Lady Godolphin über den Mund. »Pembury ist zwar kein
Heiliger, aber er legt wenigstens nicht
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