Frederica - sTdH 6
Wir
waren uns sicher, daß Sie dort sein mußten. Aber als wir bei dem Gasthaus
ankamen, stellten wir fest, daß Sie auch da nicht waren. Lady Godolphin klagte
die ganze Zeit gottserbärmlich, daß Sie bestimmt von Straßenräubern gefangen
und ›deformiert‹ worden seien. Wir schlugen jeder eine andere Richtung
ein. Ich fand schließlich den Weg, den Sie genommen haben, weil ich im Dunkeln
über die Klippe fiel, wobei ich meine Laterne verlor. Mein Sturz wurde von
einem Busch gebremst, und ich fand einen Musselinfetzen an einem der Zweige
hängen. Im gleichen Moment war der Mond herausgekommen, und so gelang es mir,
Ihrer Spur zu folgen. Kurz bevor ich hier ankam, fing es wieder an zu regnen.
Ich hatte jede Spur von Ihnen verloren, da der Boden hart und felsig wurde, und
ich fürchtete schon, daß Sie in den Fluß gefallen wären. Aber da sind Sie ja
und haben ein Dach über dem Kopf und ein Feuer im Herd. Ich weiß nicht, ob ich
Sie verprügeln oder vor Erleichterung in Tränen ausbrechen soll.«
»Es tut mir
so leid«, antwortete Frederica. »Bitte, seien Sie nicht böse.«
»Wir können
nicht hierbleiben«, sagte er müde. »Ihr guter Ruf wäre dahin.«
»Ist es
sehr weit bis zu diesem Gasthaus?«
»Viele
Meilen. Sie sind ein ganz schönes Stück gelaufen, mein liebes Kind.«
Der Wind
heulte, und der Regen, der wieder heftiger wurde, schlug gegen die
Fensterläden.
Frederica
erschauerte. »So wahr ich hier stehe«, sagte sie schließlich, »lieber setze ich
meinen Ruf aufs Spiel als mein Leben.«
Der Herzog
riß sich mit einem Schwung seinen schweren Mantel von der Schulter und nahm den
Hut ab. »Wir wollen ein bißchen warten, Miß Armitage. Aber wenn der Sturm nicht
nachläßt, müssen wir aufbrechen.«
Frederica
sah ihn schüchtern an. Sein Gesicht wirkte im Schein der züngelnden Flammen
beängstigend.
Er setzte
sich hin und schaute zu ihr auf. »Seien Sie nicht albern. Ich habe nicht die
Absicht, Sie zu verführen.«
Sie setzte
sich kerzengerade neben ihn und starrte so intensiv in
die Flammen, als ob sie in ihrem ganzen Leben noch nichts so Interessantes gesehen
hätte.
»Beruhigen
Sie sich.« Er legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich her.
»Schlafen Sie jetzt. Ich werde wach bleiben und Sie in einer halben Stunde
wieder wekken.«
Frederica
lag steif in seinem Arm. »Was für eine ungewöhnliche Situation«, dachte sie.
Er bewegte sich nicht und sagte auch nichts, und so fielen ihr schließlich die
Augen zu. Ihr Körper entspannte sich. Mit einem müden leisen Seufzer ließ sie
den Kopf auf seine Brust fallen und schlief fest ein.
Er strich
ihr die Haare zurück, die ihn am Kinn kitzelten. Es waren seidige Haare, wie
die eines Babys. Was für ein zerbrechliches Persönchen sie war, und doch hatte
sie bewiesen, daß sie sich sehr gut helfen konnte. Er fühlte sich sehr müde.
Frederica immer noch im Arm, zerrte er sein Jabot herunter und warf es quer
durch die Hütte. Sein Jackett war eng und unbequem. Er legte die fest
schlafende Frederica auf seinen Mantel und zog sein Jackett, seine Weste und
seine Stiefel aus. Es konnte nicht schaden, wenn er auch eine halbe Stunde
schlief.
Der Herzog
legte sich neben Frederica vor das Feuer und nahm sie in die Arme. Sie murmelte
im Schlaf vor sich hin, aber wachte nicht auf.
Frederica
hatte gerade einen wunderbaren, aufregenden Traum. Sie schwamm in der warmen
blauen See und ihr Körper war ohne jede verdeckende Hülle. Das Wasser umschmeichelte
ihre Glieder, und glänzende Fischlein schossen zwischen großen rosafarbenen
Felsen, die sich auf dem Meeresgrund befanden, hin und her. Auf einmal kam ein
Wassermann auf sie zugeschwommen. Sie fürchtete sich aber nicht vor ihm, und
als er sie in die Arme nahm, schien es die natürlichste Sache von der Welt zu
sein, ihn zu küssen.
In dem
Moment als Frederica den Wassermann im Traum küßte, wachte der Herzog auf und
mußte sich erst besinnen, wo er war. Das Mädchen war fest an ihn gepreßt, und
er konnte ihre kleinen Brüste durch den dünnen Stoff seines Hemdes fühlen. Ein
bebendes Gefühl der Erregung durchglühte seinen Körper.
Er stützte
ihr Kinn mit seiner Hand und beugte seinen Mund zu ihrem herab. Frederica
erwiderte im Traum leidenschaftlich die Küsse des Wassermannes.
Der Herzog
von Pembury war ein dankbarer Genießer von Fredericas stürmischen Opfergaben.
Er hatte das Gefühl, daß er nie zuvor in seinem Leben Küsse von solch
verzehrender Süße bekommen habe. Seine Lippen
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