Frederikes Hoellenfahrt
ihnen mit allen Mitteln zu helfen versuchen. Aber Kain wusste nicht, wo die Kollegen einen Ansatzpunkt sahen, wo sie zugreifen konnten, wo es möglich war, die Gangster zu überwältigen. Keine Ahnung. Während der Fahrt sicher nicht. Kain musste den Wagen stoppen, damit den Einsatz und das Ende ermöglichen. Nur wie und wo?
Das Auto fraß die Kilometer der Autobahn. Erstaunlich wenige Fahrzeuge begegneten ihnen. Vielleicht hatten seine Kollegen die Zufahrten gesperrt, denn nur zu Beginn hatten sie Autos überholt. Jetzt schien es fast so, als führen sie allein Richtung Süden. Kaum Trucks, kaum Kleinkraftwagen. Überhaupt schien Kain alles widernatürlich ruhig und dunkel. Es brannten nur wenige Straßenlaternen in dunklen Orten, sah er. Die Häuser und Bäume standen schwarz am Straßenrand und waren nur zu erahnen. Keine Motorengeräusche waren zu hören. Sie fuhren fast wortlos. Das Radio einzuschalten, auf diese Idee waren die Masken gar nicht gekommen, oder sie wollten wirklich keine Unterhaltung. Allerdings blickten die Augen von der Maske mit den dicken Lippen aufmerksam und fast ohne Blinzeln. Ein Entkommen schien Kain unmöglich. Die Pistole zielte noch immer auf seine Schläfe. Er musste das Auto irgendwo stoppen und den Kollegen die Stürmung möglich machen. Aber wo, verdammt, wo?
Kain blickte auf die Fahrbahn. Betonplatten und weiße Striche. Betonplatten und weiße Striche. Hinweisschilder rasten vorbei. Die Leitplanken leuchteten.
Im Rückspiegel sah Kain Frederike die Wasserflasche wieder verschließen. Sie lehnte sich zurück, und es klang wie ein Seufzen. Frederike war am Rande eines Nervenzusammenbruchs, das sah er ihr an. Es dauerte nicht mehr lang, und ihre Reaktionen waren mit keinem rationalen Maßstab mehr zu messen. Er musste auch für sie die Entscheidung treffen. Er musste Frederike retten, er musste sich retten. Nur er hatte die Übersicht und die Kraft, Frederike und sich selbst aus der Gewalt der Gangster befreien. Er musste sie überwältigen. Er war nicht allein. Die Kollegen waren auf ihrer Spur, sie würden seinen Plan unterstützen, sobald sie ihn begriffen hatten. Kain war sich sicher. Nur hatte er keinen Plan, der ihr schnelles Eingreifen möglich machte. Halt. Irgendwo musste er halten. Alles andere war von vornherein aussichtslos, versprach keinen Erfolg. Bei diesem Tempo musste er auf die Straße achten, konnte er seinem Nachbarn nicht die Pistole entwenden. Der Kleine auf der Rückbank würde sofort auf Frederike schießen. Zweimal bereits hatte er ohne Skrupel abgedrückt. Isabell und Bruno waren die Opfer. Kain musste sich und Frederike das Leben retten. Jetzt.
Der Kleine auf der Rückbank schlief wieder ein. Leise Schnarchtöne waren zu hören. Grenzübergang 5, km. Kain war auf dieser Autobahn noch nie in die Tschechei gefahren. Er kannte nicht diesen Grenzübergang. Auf Autobahnen standen immer riesige Abfertigungshallen für Passkontrolle und Zoll. Er kannte Berlin Drei Linden, Straßburg / Kehl, Frankfurt/Oder / Swiecko. Er hatte die Dokumentationen vom einigen Europa gesehen, er sah die Gebäude, die vor Ort ohne Nutzung verfielen. Grenzübergang 5 km. Dort hatte er die Möglichkeit, einen Unfall zu provozieren. Noch besser die Ausrede, der Schlaf hätte ihn überwältigt. Raus aus der Spur. Die Augen schließen. Vollbremsung. Die Masken würden ihm nicht nachweisen können, dass er bewusst auf diesen Ausstieg gesetzt hatte, falls sie überhaupt auf diese Idee kämen. Das traute Kain ihnen nicht zu. Sie würden es auf Übermüdung zurückführen, er hatte seit fast vierundzwanzig Stunden keine ruhige Minute gehabt. Und Kain war hundemüde, er müsste nicht einmal lügen.
Der Blick zur Seite bewies, auch die dicken Lippen ließen es an Aufmerksamkeit mangeln, sie fühlten sich sicher, glaubten, dass er funktionierte und fuhr, sie in die Freiheit fuhr. Die Strecke führte bergauf. Die Grenzmarkierungen mussten gleich kommen. Er sah die Durchfahrten unter den Hallen. Lkws rechts, Pkws links stand auf den Schildern geschrieben. Unterm Dach leuchteten weder grüne Pfeile noch rote Kreuze. Es gab keinen Stau, keine Kontrolle. Ein paar zerfetzte Reklamen säumten die Straße. Kain hatte gehofft, dass ein Streifenwagen unter den Dächern gestanden hätte. Er sah keinen. Die Kollegen hatten sich gut getarnt.
Kain ging mehrmals vom Gas und beschleunigte wieder. Er hielt keine Spur, schlingerte. Die Maske neben ihm reagierte nicht. Sie hatte den Arm auf der Rückenlehne,
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