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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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wird das dauern?
    Diese Art Geiselnahmen sind nach Stunden, spätestens nach wenigen Tagen beendet.
    Wissen Sie, um wen es sich bei den Entführten handelt?
    Ja.
    Die Namen wollen Sie uns nicht nennen?
    Nein. Sie werden sie recherchieren.
    Erst vor einem Monat spielten sich wahre Schlachtszenen in den Leipziger Straßen ab. Es gab einen Toten und Verletzte. Jetzt wurde der Chef eines der damals beteiligten Etablissements getötet, und sie sagen noch immer ›Es herrscht in Leipzig kein Krieg‹. Wie viele Tote brauchen Sie denn noch, um diese Realitäten anzuerkennen?
    Das Problem der Rivalitäten in der Diskoszene ist bekannt. Das Ausmaß der Gewalt ist erschreckend und kann nicht hingenommen werden. Aber ich weise noch einmal darauf hin: Es ist bislang nicht erwiesen, dass es sich beim Geschehen der letzten Stunden um Auseinandersetzungen rivalisierender Banden handelt.
    Über Ihre Einzeltäterthese haben Sie bereits gesprochen, aber welche Maßnahmen ergreift die Polizei, um die steigende Gewalt wieder sinken zu lassen? Die Bevölkerung lebt in Angst. Sie stehen in der öffentlichen Kritik.
    Wozu Sie ja auch beitragen, meine Damen und Herren. Für ein gesellschaftliches Klima können Sie nicht die Polizei verantwortlich machen. Seien Sie gewiss, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen, um diese Situationen nicht eskalieren zu lassen. Die verstärkte Präsenz unserer Kräfte in der Leipziger Innenstadt … kann auch von Ihnen nicht unbemerkt geblieben sein …
    … aber heute sind wieder zwei Menschen ermordet worden. Angesichts dieser Gewalt können Sie doch nicht von ›allen notwendigen Mitteln ergriffen‹ sprechen. Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter. Wir sind das ›Chicago des Ostens‹, und Sie sind der dafür Verantwortliche, Herr Kriminaldirektor!
    Ich glaube, angesichts des Ernstes der Lage sollten persönliche Diffamierungen unterbleiben. Ich muss wiederholen, wir haben alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergriffen. Alle zur Verfügung stehenden Kräfte sind im Einsatz.
    Können Sie nähere Ausführungen zur Geiselnahme machen? Wie gingen die Täter vor? Womit haben sie gedroht?
    Nach unserem Kenntnisstand stürmten sie das Café Waschsalon, nachdem der Raubüberfall im BARocko scheiterte. Sie schossen und zwangen alle Gäste, sich auf den Boden zu legen. Nach der Kontaktaufnahme haben wir versucht, die Forderungen der Täter zu erfüllen. Sie ließen die meisten Geiseln frei. Nach der Übergabe von Lösegeld und Fluchtfahrzeug sind nur noch zwei Menschen in ihrer Gewalt.
    Nur noch zwei Menschen in ihrer Gewalt? Das klingt zynisch.
    Aber besser als zwanzig. Sie dürfen nicht die Realitäten nach Ihrem Gutdünken verschieben. Und es ist keine Frage, dass auch zwei zu viel sind. Ich kann Ihnen nochmals versichern, wir tun alles in unseren Kräften Stehende, um die Geiseln gewaltlos zu befreien.
    Es war unmöglich, diese Flucht zu verhindern?
    Um nicht das Leben aller Geiseln zu gefährden, war das die einzige Möglichkeit. Ja.
    Was unternehmen Sie, um diese Geiselnahme zu beenden?
    Die Situation verbietet übereiltes Handeln. Andere Fälle von Geiselnahmen haben bewiesen, dass sie unblutig beendet werden können. Geduld und Professionalität werden gefordert. Ich versichere Ihnen, beides besitzt die Leipziger Polizei.

6:50
     
    Schabowski quälte sich durch den morgendlichen Verkehr. Jede Ampel schien rot zu zeigen. Zwischen den Ampeln konnte man nicht von zähflüssig sprechen. Mehr Stop als Go, und Straßenbahnen hielten allerorten, um wenige Werktätige zum Job zu bringen oder Nachtschwärmer nach Hause. Die Bahnen fuhren wenigstens, und ihre Insassen trugen keine Verantwortung, wenn es nicht schnell genug ging. Agnes Schabowski überlegte erneut, ob sie sich eine Monatskarte des ÖPNV zulegen sollte. Aber das schien ihr vor den Kollegen zu billig, als ob sie sich kein Auto leisten konnte. Wahrscheinlich lächelten sie aber ohnehin über ihren Twingo.
    Sie hatte die Anschrift von Vera Kreuzpointner in den unterschriebenen Protokollen gefunden. Jetzt war Schabowski auf dem Weg zur Zeugin. Vera Kreuzpointner schien der Kommissarin die Täter am besten beschreiben zu können. Vielleicht würde sie mehr Details erfahren, wenn sie auch nicht glaubte, die Täter nach diesem Gespräch identifizieren zu können.
    Die Mozartstraße lag nahe dem Polizeipräsidium. Gründerzeithäuser, renoviert, hoher Wohnkomfort, ruhige Lage. Agnes Schabowski suchte nach Hausnummer und Parkplatz.

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