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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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Vera Kreuzpointner wohnte in einem sozialistischen Plattenbau, der im Viertel wie ein Fremdkörper wirkte. Allein die Namensschilder neben den Klingelknöpfen schienen über hundert zu zählen. Schabowski läutete lange, ehe eine verschlafene Stimme aus der Gegensprechanlage hallte.
    »Ja, bittä?«
    »Agnes Schabowski, Kriminalpolizei. Frau Kreuzpointner? Ich müsste noch mal mit Ihnen sprechen. Lassen Sie mich herein?«
    »Um diese Zait? Ik chabe gesagt alles schon Ihren Kollegän. Was wollen Sie denn noch? Mein Chef wirt für Polizei kain Verständnis chaben, wenn ik mik verspäte.«
    »Ich störe nicht lange.«
    Der Summer ertönte. Schabowski drückte mit Kraft gegen die Haustür und hätte fast vergessen zu fragen. »Welcher Stock?«
    »Achter. Fahrstuhl rechts.«
    »Danke.«
    Im Flur lagen Zeitungen. Werbung war zu lesen. Hol dir den exotischen Frische-Kick – Probier den Mix aus 50 % Bier und 50 % tropischer Erfrischung. Sie sah die Flasche auf dem Papier, und sie sah die betrunkenen Diskogänger freitags und samstags. Sie würde wie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung sprechen und Alkohol wie das Rauchen verbieten. Auch die Kanzlerin warb. Der direkte Weg ins Kanzleramt: www.bundeskanzlerin.de, die offizielle Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel … Die offizielle Seite setzte voraus, dass sie auch eine andere hatte: die inoffizielle. Diese würde Schabowski interessieren, nicht die Floskeln einer Staatsfrau und ihrer Berater … mit Video-Podcasts, E-Mail-Abo, allen wichtigen Terminen und vielen weiteren Infos. Sie sah Angela Merkel ihre Ansprachen ans Volk verlesen, und es war ihr herzlich egal, welche Termine bei ihr im Kalender standen. Schabowski tat ihren Job bei Vera Kreuzpointner. Integration: Zusammen wachsen las Schabowski und schob das Werbeblatt mit dem Fuß zum in der Ecke liegenden Stapel dazu. Die Charmeoffensive der Bundesregierung war offensichtlich gescheitert. Deutschland aktuell lag im Müll. Sie drückte den Fahrstuhlknopf Etage acht.
    Schabowski stieg aus. Der Flur war verwirrend, verzweigte sich links und rechts um mehrere Ecken. Endlich stand sie vor der richtigen Wohnungstür. Noch vor dem Klingeln wurde sie von Vera Kreuzpointner geöffnet. Sie trug Hausschlappen und einen grob gemusterten Bademantel. Die Haare hingen ihr über Gesicht und Busen. Sie lächelte nicht.
    »Kommen Sie schnell rein. Die Nachbarn räden so schon genug ieber mik.«
    Die Wohnung war klein. Der Flur konnte Platzangst bereiten. Vera Kreuzpointner schob die Kommissarin in die Küche. Schabowski nahm auf einem wackligen Stuhl Platz. Vera Kreuzpointner schüttete Kaffee und Zucker in ein Kännchen am langen Stiel und füllte es mit Wasser auf. Dann wischte sie über die Herdplatte und stellte es drauf. Die Platte fing an, rot zu glühen.
    »Auch ainen?«
    »Danke. Ja.«
    Vera Kreuzpointner nahm zwei Tassen aus dem Hängeschrank und setzte sich ihr gegenüber. Der Tisch stand am Fenster und hatte Platz für drei Stühle. Waren alle besetzt, konnte man sich im Raum nicht mehr bewegen. Ein Blick hinaus zeigte eine graue Morgensonne. Bäume und Fassaden schienen farblos.
    »Ik chabe Ihnen gesagt alles. Was wollen Sie noch?«
    »Vielleicht erinnern Sie sich doch an ein paar Kleinigkeiten mehr. Sie scheinen die Täter sehr genau beobachtet zu haben.«
    »Für ain Phantombild wird es nicht raichen. Masken sähen sich immer sehr ähnlik. Das Gesikt darunter chabe ik nikt gesähen.«
    Schabowski ließ der Zeugin etwas Zeit. Sie kramte aus ihrer Tasche Notizheft und Stift, legte es vor sich neben die Tasse. Vera Kreuzpoitner stand auf, um das Kochen zu kontrollieren. Sie schob das Kännchen von einer Seite zur andern, rührte und ließ es erneut aufkochen. Wie hießen die kleinen Kännchen mit langem Stiel, die sie im Orient benutzten? Turka? Türka? Tscheswe? Tschunda? Sie hatte den Namen einmal gewusst. Turka. Schabowski war sich sicher: Turka hieß dieses Kännchen.
    »Mit Gas ginge schneller.«
    »Ich brühe meinen Kaffee nur mit Pulver. Für mehr langt die Zeit bei mir nicht.« Schabowski log, sie trank auch am Morgen Früchtetee.
    »Kaffee am Morgen muss sain. Ansonsten schlafe ik glaich wieder ain. Ik war um drai erst dahaim. Ik chätte erst um noin aufstehen missen.«
    »Entschuldigung. Aber ich muss noch einmal mit Ihnen sprechen. Sie helfen bei der Aufklärung eines Verbrechens. Das ist sehr wichtig.« Sie sprach wie mit einem Kleinkind. »Verstehen Sie?«
    »Nain. Aber stellen Sie Ihre Fragen.« Vera

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