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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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gedrängt und stand vor der Dolmetscherin. »Wer! Sagen Sie, wen hat man befreien können? Wer lebt?«
    Eine der Geiseln konnte befreit werden. Sie lebt. Die Sätze brannten sich in Ehrlichers Kopf. Eine der Geiseln konnte befreit werden. Sie lebt. Er fixierte Dorota Franke am Headset, als sei sie für das Scheitern der Rettung beider Geiseln persönlich verantwortlich. »Sagen Sie, wer befreit werden konnte! Das ist ein Befehl! Den Namen!«
    Es fehlte nicht viel, und er hätte die Dolmetscherin am Kragen genommen. Die Frau schaute Ehrlicher an, als sei er von Sinnen. Er war es. Er hatte schreckliche Bilder im Kopf, er sah Frederike als Geisel der Gangster, er sah Pistolen, und er hörte Schüsse. Frederike tot! Seine Frederike. Er musste wissen, ob sie wieder zurückkam. Meine Frederike hatte er nur im Scherz zu ihr gesagt. Meine Frederike, würdest du mir noch ein Bier bringen. Meine Frederike, machst du noch etwas zu essen. Meine Frederike, ich zahle. Seine Frederike hatte gelächelt, das Bier gezapft, Essen gebracht. Bitte, lass es Frederike sein, die befreit worden war. Sofort schoben sich andere Bilder in Ehrlichers Gedanken. Kain. Bruno, wir sind mehr als Kollegen.
    Kain, es war Kain, der lebte! Ehrlicher begriff. Kain war frei. Er, nicht Frederike. Dorota Franke schwieg und senkte ihre Augen. Auch die Kollegen wandten die Blicke von Ehrlicher ab.
    Keiner sagte ein Wort. Miersch räusperte sich. »Kollege Ehrlicher, es sind erste, noch unbestätigte Informationen. Daraus können Sie keine Rückschlüsse ziehen.«
    Frederike oder Kain? Einer von beiden war aus der Gewalt der Gangster befreit. Nun lasteten alle Angst und alle Hoffnung der Kidnapper auf einer Geisel. Frederike oder Kain? Die Gangster waren unberechenbar, der kleinste Fehler, und es würde ein weiteres Opfer geben. Frederike oder Kain? Ehrlicher wünschte, ihren Namen zu hören. Kain war Polizist, er würde es allein schaffen.
    Frederike! Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau Lore war Bruno Ehrlicher nach Leipzig gezogen. Er machte sich nichts vor, Frederike war ein wichtiger Grund gewesen, die Stelle hier anzunehmen. In ihrem Waschsalon fanden Kain und er bei einem Bier die nötige Entspannung von ihrem Polizeialltag. Frederike gab ihm ein neues Zuhause. Frederike oder Kain? Sie mussten ihm den Namen sagen. Sofort!
    »Wer? Sagen Sie mir, wer hat überlebt?«
    Dorota Franke blickte zum Direktor. Der stand herum und wusste offensichtlich nicht, wie er reagieren sollte. Die Situation schien ihm mehr als unangenehm. So blieb er unschlüssig stehen und sah aus dem Fenster.
    Kain! Kain war Ehrlicher nach der Ausbildung zugeteilt worden. Blonde Haare, breites Lächeln, vom Ernst des Lebens und des Jobs gar keine Ahnung. Im Laufe der Zusammenarbeit war Kain für Bruno mehr als ein Kollege geworden. Er war ihm je nach Situation Partner, Freund oder Sohn. Frederike oder Kain?
    Die Kollegen schauten noch immer auf ihn, als wäre er E.T., Brad Pitt oder Karl Eduard von Schnitzler. Der Direktor schien die Wolkenbewegungen wichtiger als alles andere zu finden. Direktor Miersch griff zu einer Tasse Kaffee und trank betont langsam. Einem Blick zu Ehrlicher wich er aus.
    »Sagen Sie, wer von den beiden musste im Auto bleiben? Wer?« Ehrlicher schaute die Anwesenden der Reihe nach bittend an: Dorota Franke, Bastian Michalk, Bleicher, Beierlein, Hohmann, Agnes Schabowski, Schmitt. Sie wendeten alle die Blicke ab.
    »Verdammt, sagt es! Frederike oder Kain?«
    Der Kriminaldirektor schluckte, die Situation überforderte ihn, die Wolken waren jedoch ausgezählt. Jetzt musste er reagieren. »Herr Ehrlicher, ich hatte ja vorgeschlagen, dass Sie von zu Hause …«
    »Denken Sie, dort würden die Nachrichten anders klingen? Frederike oder Kain? Nennen Sie mir den Namen! Bitte.« Er flehte.
    »Frederike.«
    »Frederike lebt! Sie ist frei!« Ehrlicher war erleichtert. Kain würde sich zu verteidigen wissen. Aber Frederike, sie lebte!
    »Nein.« Mierschs Stimmer wurde leiser. »Nein, Ehrlicher, Frederike blieb im Auto zurück. Leider.«
    »Oh, mein Gott!« Ehrlicher sank auf einen Stuhl. Wie hatte Kain Frederike allein der Gewalt dieser Gangster überlassen können? Ehrlicher war fassungslos. Kain war für solche Situationen trainiert. Frederike stand hinter ihrer Theke und warf vielleicht mal einen Betrunkenen raus. Aber Kain war ausgebildet. Jeder Kommissar musste die Normen für die Diensttauglichkeit erfüllen. Kain war einer der Besten. Mit ihm, Bruno Ehrlicher, gar kein

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