FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
genauso wieder aufgebaut.«
»Otto Guericke würde es anders machen«, erwiderte Benno. »Na ja, vielleicht wird er mal unser Bürgermeister und setzt dann seine Pläne um.«
Benno brachte Anneliese zu ihrem Elternhaus, das vom Hagel der Bomben- und Kanonenkugeln bisher verschont geblieben war. Es lag wie seine eigene Wohnung nahe am Dom, den Tilly und Pappenheim unter allen Umständen erhalten wollten.
Benno zog Anneliese zum Abschied noch einmal an sich. Sie beugte sich dabei nach hinten, hob ihren Kopf und schloss die Augen. Benno küsste sie zart auf den Mund. Ihre Lippen waren warm und süß. Er spürte, dass Anneliese von Erregung erfasst wurde, und auch er fühlte wie ihr weicher, warmer Körper ihn erregte. Wieder und wieder küsste er sie: auf ihre Wangen, ihre Stirn, ihren Mund, und sie ließ es geschehen, ja forderte es sogar mit leicht geöffneten vollen Lippen.
Lange hielten sie sich in den Armen, ehe sie sich trennten.
»Sehen wir uns morgen?«, fragte Anneliese ihn mit heiserer Stimme.
»Ja, auf jeden Fall. Ich werde nach dem Mittagessen kommen.«
Jetzt lag er auf seinem Bett und konnte nicht schlafen. Er hatte Anneliese geküsst, und sie hatte seine Zärtlichkeit erwidert. Sie war eine wundervolle junge Frau, eine beeindruckende Schönheit, klug und gebildet, warmherzig und sanft. Eine Frau, die den Mann glücklich machte, dem sie ihr Herz schenkte. Dazu kam sie aus gutem Hause und war deshalb auch sonst eine gute Partie.
Doch inzwischen war er sich vollkommen sicher: Er liebte Rosa. Rosa, diese faszinierende Frau mit ihren langen, hellblonden Haaren; den blitzenden, himmelblauen Augen; und dem Mund, der stets zu lächeln schien. Sie hatte einen scharfen, praktischen Verstand, war mutig und konnte zupacken. Dass ihr Vater aus einer der untersten Gesellschaftsschichten kam, machte ihm nichts aus. Sie war sein Traum von einer Frau und brachte sein Herz zum Klopfen, wenn sie ihn nur ansah.
Er war ein gemeiner Hund! Obwohl sein Herz schon Rosa gehörte, hatte er beiden schöne Augen gemacht und Hoffnungen geweckt. Er hatte beide geküsst. und sie in dem Glauben gelassen, die Einzige zu sein. Er hatte mit ihren Gefühlen gespielt und beide verraten!
»Schließlich kann ich dir vertrauen.«
Die Worte Rosas brannten nun in seinem Gewissen wie Feuer.
Benno wurde es unerträglich heiß. Unruhig warf er sich auf seinem Bett hin und her. Wieder und wieder kreisten seine Gedanken um sein schäbiges Verhalten. Er hätte es verdient, wenn beide ihm den Laufpass geben würden und ihm keine Träne nachweinten!
Benno bereute nun von ganzem Herzen, dass er Anneliese Hoffnung gemacht hatte. Ja, er mochte sie, und wenn er mit ihr zusammen war, dachte er kaum noch an Rosa. Doch wenn er Rosa im Arm hielt, war Anneliese vergessen. Beide faszinierten ihn, verwirrten ihn. Aber bei Rosa war es mehr. Es war Liebe, nicht nur erotische Liebe, und auch nicht nur Zuneigung und Freundschaft.
Was er getan hatte, war wirklich nicht vernünftig gewesen. Wie hatte er Anneliese küssen können, wo er doch Rosa liebte?
Ein Wort aus der Bergpredigt fiel ihm ein: »Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.« Daraus hatte der Volksmund die Regel gemacht: »Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.«
Wie würde er sich denn fühlen, wenn Rosa einem anderen Mann schöne Augen machte oder ihn gar küsste? Würde er dann nicht verletzt, wütend und traurig zugleich sein? Mit Sicherheit! Und genau so werden die beiden jungen Frauen auch empfinden, wenn sie erfahren werden, dass er ein doppeltes Spiel spielte! Erfahren werden sie es auf jeden Fall, denn Magdeburg war zu klein, als dass seine Gemeinheit lange unentdeckt bleiben konnte.
Dann aber hatte er bei beiden verspielt, ebenso bei den reichen Kaufleuten und der unteren Schicht. Wer würde ihn noch als Rechtsbeistand nehmen? Wer mit der Liebe junger Frauen spielte und sie hinterging, der konnte bei den frommen und sittenstrengen Lutheranern gleich einpacken und möglichst weit wegziehen, um sein Glück woanders zu versuchen.
Benno setzte sich auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Ich bin verloren«, sagte er, während er auf seiner Bettkante saß, »hoffnungslos verloren. Was soll ich nur tun?«
Das Reiterdenkmal auf dem Alten Markt fiel ihm ein, das einen jungen Herrscher zu Pferd darstellte, der von zwei Frauen begleitet wurde. Die eine trug ein Schild, die andere eine Fahne.
Die eine ist
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