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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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Rosa, dachte er, die andere Anneliese. Bei der einen fühle ich mich geborgen, und ich liebe sie von ganzem Herzen, die andere ermöglicht mir eine großartige Zukunft.
    Schild oder Fahne – auch wenn er sich für Rosa entschied, er würde Anneliese in seinem Herzen bewahren und sich dabei stets Vorwürfe machen, sie verletzt und enttäuscht zu haben.
    »Ich muss das in Ordnung bringen«, murmelte er halblaut, »und mich bei Anneliese entschuldigen. Doch was sage ich ihr?«
    Benno konnte nicht ableugnen, dass Männer sich gerne stark und überlegen gebärden. Doch wenn sie über ihre Gefühle sprechen oder sich bei Frauen entschuldigen wollen, bekommen sie einen trockenen Mund und ringen nach Worten.
    »Ich bin ein Feigling«, gestand er sich ein, »ein Feigling und ein Schuft!«
    Tillys Kanonen beschossen anscheinend Tag und Nacht die Stadt. Rosa hörte das dumpfe Grollen und die Einschläge. Sie war müde und erschöpft. Wie lange sie jetzt schon hier im dunklen Raum stand, konnte sie nicht mehr abschätzen. Einmal meinte sie in der Ferne die Glocken des Domes gehört zu haben. Aber das Geschützfeuer machte es unmöglich, die einzelnen Schläge zu zählen. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, aber der Hanfstrick ließ es nicht zu, sich auf den Boden zu setzen.
    Dieser gemeine Kerl!, sagte sie sich. Quält mich, nur weil ich herausgefunden habe, wer er ist. Ereifert sich über Gewalt und Ungerechtigkeit gegen seinen Bruder, und übt selbst Gewalt gegen mich, obwohl ich ihm nichts getan habe.
    Sie brauchte einen Plan. Es musste doch möglich sein, diesen alten, wenn auch rüstigen Mann zu überlisten und sich zu befreien. – Zwei Stunden später hatte sie eine Idee. Immer wieder spielte sie in Gedanken alle Einzelheiten durch, um keinen Fehler zu machen. Wahrscheinlich hatte sie nur eine Chance.
    Die Tür öffnete sich knarrend und Emmerichs Bruder betrat den Raum. Er stellte seine Laterne auf den Tisch und blickte Rosa an.
    »Na, eine schöne Zeit gehabt? Ist doch gemütlich hier unten.«
    »Ich habe Durst«, flüsterte Rosa schwach. Ihre Stimme klang wie ein Reibeisen. »Schrecklichen Durst. Bitte gib mir zu trinken.«
    »Bin ja kein Unmensch«, knurrte der Mann, löste den Strick, ging zum Tisch, nahm einen Krug mit Wasser und reichte ihn Rosa, während er den Strick in der linken Hand hielt.
    »Meine Hände sind doch gefesselt. Wie soll ich da den Krug halten?« sagte Rosa.
    Der Mann trat näher an sie heran und hielt den Krug so schräg, dass sie daraus trinken konnte. Gierig sog Rosa das kühle Nass in sich hinein. Sie spürte, wie ihre Lebensgeister wieder erwachten.
    Unvermittelt blickte sie auf und sagte: » Du hast deinen Bruder Klaus umgebracht.«
    »Was?« Der Mann blickte sie verständnislos an.
    »Ja, du hast ihn umgebracht. Du warst neidisch auf ihn, weil er in besseren Verhältnissen aufgewachsen ist als du. Ihm wurde alles nachgeworfen, geschenkt und in den Rachen gestopft. Du dagegen musstest dir alles hart erarbeiten, hast gedarbt und gefroren. Als du schließlich erfahren hast, dass da noch ein Zwillingsbruder lebt, und wie gut es ihm ergangen ist, bist du neidisch geworden. Und dieser Neid war wie Eiter in deinen Knochen, hat dich Tag und Nacht zerfressen.«
    »Was soll das? Bist du irre?«, fragte der Mann völlig überrumpelt und schüttelte seinen Kopf.
    Doch Rosa ließ sich nicht aufhalten. Die Worte quollen nur so aus ihr heraus: »Dann seid ihr euch begegnet, und du warst fasziniert von eurer Ähnlichkeit. Da hast spontan den Plan gefasst, ihn zu ermorden und sein Vermögen zu kassieren. Und dann hast du zugeschlagen und wieder zugeschlagen, wieder und wieder. Du hast deinen Bruder brutal gefoltert und gequält, bis er dir verraten hat, wo du sein Geld findest.«
    Der Mann warf einen wirren Blick zur Seite, wo der Tisch stand.
    Das hat dich verraten, dachte Rosa. Ich hab ins Schwarze getroffen!
    »Und dann hast du die ganze Scharade vom untoten Emmerich gespielt, um herauszufinden, wo dein Bruder noch mehr Geld versteckt hat. Nachts hast du seine Witwe aufgesucht, sie zu Tode erschreckt und gewürgt, bis sie dir ihren letzten Heller gegeben hat, nicht wahr?!«
    Rosa blickte den Mann herausfordernd an.
    »Quatsch, Quatsch, alles Quatsch!«, rief der sichtlich erregt. »Ich würde nie meinen Bruder umbringen!«
    »Ach«, unterbrach ihn Rosa, »du gibst also zu, dass der andere dein Bruder ist!«
    Der Mann starrte sie böse an.
    Jetzt oder nie!, dachte Rosa.
    Mit ihrer ganzen

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