FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Trotzdem warfen die Pappenheimer Sturmleitern an die Stadtmauer, hakten sie oben an der Zinne ein und rammten sie unten in den Boden, ehe die Söldner wie Ameisen an den Sprossen emporstiegen, um die Verteidiger von der Mauer zu werfen. Es war ein leichtes Spiel für sie, weil die meisten Bürger die Nacht zu Hause verbracht hatten.
Doch unten in den Gassen trafen sie auf harten Widerstand. Frauen gossen heißes Wasser und siedendes Öl aus den Fenstern auf sie herab und Jugendliche schossen aus den Kellerfenstern auf ihre Beine. Doch das machte die Angreifer nur noch wütender.
Außerdem liefen nun die Einwohner der Stadt zum Neuen Werk und verteidigten die Straßenzüge tapfer gegen die vorrückenden Pappenheimer. Dietrich von Falkenberg kam schweißnass vom Rathaus angeritten, um die Verteidigung zu organisieren.
»Noch ist nichts verloren!«, rief er schwer atmend den Bürgern zu, obwohl schon mehr als hundert Tote in den Gassen lagen. »Wir können sie wieder zurückwerfen. Nur Mut!«
Auch Georg Ackermann stürmte mit seinen Männern durch die Bresche in der Mauer. Als er den schwedischen Stadtkommandanten erblickte, zog er seine Radschlosspistole und zielte auf ihn. Doch jemand kam ihm mit dem Schuss zuvor. Tödlich getroffen stürzte Dietrich von Falkenberg vom Pferd.
Ein Aufschrei ging durch die Menge der Verteidiger. Offensichtlich entfiel ihnen nun der Mut, denn sie wurden immer schneller zurückgetrieben. Manche liefen sogar einfach davon. Wahrscheinlich wollten sie ihre Familie und ihr Haus schützen.
Kapitän Ackermann ließ den anderen Truppen Tillys das Zeichen geben, dass sie nun in der Stadt seien und leichtes Spiel mit den Verteidigern hätten. Daraufhin wurden auch die anderen Befestigungen angegriffen, besonders das Schrotdorfer Tor und die Bastion Heydeck Richtung Sudenburg. Um neun Uhr eroberten schließlich auch Wolfgang von Mansfelds Männer die Mauer und schlugen jeden Widerstand nieder. Nur sechzig Tote hatte der Graf zu beklagen.
Nach den ersten Erfolgen der Pappenheimer strömten nun jedoch Hunderte von Magdeburgern zur Neustadt, um den Feind zurückzuschlagen. Sie konnten nicht ahnen, dass die Kaiserlichen auch an anderen Stellen durchgebrochen waren.
Georg Ackermanns Männer wurden schließlich auf den oberen Wall zurückgeworfen, denn die Verteidiger kämpften mit dem Mut der Verzweiflung. Viele seiner Söldner waren schon gefallen und auch andere Kompanien Pappenheims hatten große Verluste zu beklagen.
Inzwischen war Tillys Hauptstreitmacht an anderen Stellen in die Stadt eingefallen und schlug gnadenlos alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Auch die auf den Mauern stehenden Magdeburger, die inzwischen um Gnade baten, wurden niedergemetzelt – hauptsächlich durch die Wallonen. Frauen und Kinder wurden genauso wenig geschont wie alle, die sich in die Kirchen geflüchtet hatten.
Trotzdem verteidigten sich die Magdeburger in heftigen Straßenkämpfen weiter. Doch als die Tore geöffnet wurden und Pappenheims Reiterei sowie auch die Kroaten in die Stadt stürmten, wurden die Verteidiger zurückgetrieben. Hinter den Linien traten die Söldner die Türen der Häuser ein, vergewaltigten Frauen und Mädchen, massakrierten anschließend alle Bewohner und schleppten fort, was sie an Wertvollem fanden.
Im ersten Moment hatten die Stetters die Explosion und das heftige Kanonenfeuer nicht ernst genommen. Nach den vielen Tagen des Kampfes achteten sie, wie viele Magdeburger, nicht mehr auf jeden Knall und jede Detonation. Doch schließlich gellten Schreckensrufe durch die Gassen ihres Viertels.
Carl-Ulrich Stetter trat vor die Tür, um zu erfahren, was geschehen war. Schon bald kam er zurück ins Haus.
»Was ist los, Carl-Ulrich?«, fragte ihn Martha.
Seelenruhig holte der jedoch zuerst das Schild hinter einem Schrank hervor, auf dem stand, dass dieses Haus vom Grafen zu Pappenheim beschlagnahmt worden war. Dann nahm er den Bidenhänder von der Wand und antwortete ihr: »Es ist Zeit, zu gehen. Wir müssen in den Dom.«
»Ist Magdeburg gefallen?«
»Ja, Martha. Die Kaiserlichen sind schon in der Stadt und metzeln alles nieder. Sie schonen niemanden. Dietrich von Falkenberg ist tot, der Administrator Christian Wilhelm schwer verwundet und gefangen. Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch den Dom erreichen wollen. Viele sind schon auf der Flucht dorthin.«
Anneliese stand ebenso wie ihre Mutter geschockt im Raum. Doch dann kam Leben in sie beide. Martha griff einen Krug
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