FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
fallen. Sein Blick fiel auf ein kleines Portrait, das auf einer Kommode stand. Es zeigte eine dunkelhaarige Schönheit, die den Betrachter anlächelte. Das Bild berührte ihn tief in seinem Inneren, löste etwas in ihm aus, das er schon Jahre nicht mehr verspürt hatte.
War diese Frau etwa die Gattin des toten Hünen in ihren jungen Jahren oder dessen Tochter?
Georg Ackermann schaute das Ölgemälde genauer an. Die Farben waren noch nicht verblasst. Es musste also die Tochter des Mannes sein.
»Schade«, sagte er halblaut, »dass ich dich nicht kennenlernen konnte.«
Wahrscheinlich war sie schon längst den anderen Söldnern in die Hände gefallen, war missbraucht und geschändet und dann erdrosselt worden.
Plötzlich stieg Zorn in ihm hoch.
»Dieser verdammte Krieg!«, fluchte er.
Er hasste sich nun selbst dafür, dass er an dieser Mordbrennerei beteiligt war.
Als er das Haus verließ, schlug die Turmuhr des nahen Domes zehn Uhr. Rauch stieg im Norden und im Westen über den Dächern der Häuser auf. Magdeburg brannte!
Wer war denn nur so dumm, Feuer zu legen!, dachte er. Unsere Leute können es nicht gewesen sein. Sie wollen doch die Häuser plündern. Und die Magdeburger werden nicht ihre eigene Stadt niederbrennen!
Die Häuser der Altstadt standen so dicht nebeneinander, dass ein Brand trotz aller Löscharbeiten in Windeseile ganze Straßenzüge in Schutt und Asche verwandeln konnte. Außerdem würde jetzt in dem Kriegsgetümmel niemand eine Menschenkette mit Wassereimern bilden, um die Feuer zu löschen.
Georg Ackermann ging weiter die Gasse hinunter. Seine Männer und der Feldwebel waren inzwischen in einige der Häuser eingebrochen und schleppten heraus, was ihnen wertvoll erschien. Am Alten Markt entdeckten sie das Haus eines offensichtlich reichen Kaufmannes.
»Schauen wir einmal nach, wie dieser Herr gelebt hat«, sagte Georg Ackermann und drückte die Klinke herunter. Doch die Tür war verschlossen.
»Lassen Sie uns das machen, Kapitän«, sagte der Feldwebel und winkte zwei der Männer herbei. Gemeinsam traten sie mit ihren Stiefeln die Tür ein und ließen dann Georg Ackermann vorangehen.
Ein ohrenbetäubender Knall zerriss die Stille im Flur! Eine Stichflamme schoss aus nächster Nähe auf sein Gesicht zu, und eine Bleikugel klatschte direkt neben seinem Kopf in den Türpfosten! Benommen taumelte er zurück. Eine dunkle Gestalt huschte an ihm und den Soldaten vorbei und rannte den Markt hinunter.
Wie erstarrt stand Georg Ackermann im Flur, während seine Männer unbeeindruckt ins Haus drängten, um es nach Wertvollem zu durchwühlen. Seine Ohren klingelten noch von der Explosion. Seine Knie zitterten, und in seinem Magen wurde ihm flau. Beinahe hätte es ihn erwischt! Die Kugel hatte ihn nur um Haaresbreite verfehlt!
Ein Wort aus dem Buch Hiob kam ihm unwillkürlich in den Sinn. Seine Mutter hatte es manchmal zitiert, um ihn zu ermahnen, den Glauben nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
»Gott hat mich errettet, dass ich nicht hinfahre zu den Toten, sondern mein Leben das Licht sieht. Siehe, das alles tut Gott zwei- oder dreimal mit einem jeden.«
Zwei- oder dreimal!
Zweimal war er dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen! Besser gesagt: Zweimal hatte Gott ihn vom sicheren Tod gerettet! Ob er sein Leben auch ein drittes Mal bewahren würde, da war sich Georg Ackermann nicht mehr so sicher.
In seinem Herzen dankte er Gott, dass er ihn bewahrt hatte. Von nun an wollte er sein Leben ändern. Plötzlich fühlte er sich nicht länger gejagt und innerlich zerrissen. Friede füllte sein Herz aus. Gott hatte ihn gefunden – genau wie seine Mutter es vorausgesagt hatte.
Eine Muskete lag direkt vor ihm auf dem Boden. Der Schütze musste den Schuss total verrissen haben, denn eigentlich hätte er ihn nicht verfehlen können.
Aus einem der Räume, die vom Flur abgingen, ertönte Jammern und Schreien. Georg Ackermann öffnete die Tür und trat hinein. Die drei Soldaten hatten einen Mann in ihre Gewalt gebracht. Einer hatte ihm den rechten Arm auf den Rücken gedreht, der andere hielt ihm ein Messer an die Kehle, während der Feldwebel ihn anherrschte, wo denn das Tafelsilber des Hauses sei.
Es schien der Diener des Kaufmannes zu sein. Seine Augen quollen vor Angst fast aus den Höhlen und seine Knie zitterten wie Espenlaub. Mit hoher, weinerlicher Stimme rief er: »Habt Erbarmen, Ihr Herren, habt Erbarmen! Ich zeigte Euch auch, wo mein Herr, seine Schätze versteckt hat. Seid mir
Weitere Kostenlose Bücher