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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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mit Wasser und einen Laib Brot, der noch auf dem Tisch stand. Anneliese holte ein kurzes Schwert aus der Sammlung ihres Vaters. Dann eilten sie die Treppe hinunter und verließen das Haus. Der Lärm der Straßenschlachten war näher gekommen. Sie hatten nicht mehr viel Zeit!
    Carl-Ulrich Stetter hängte gerade das Schild an einen Haken, als eine Musketenkugel die Fensterscheibe neben ihm durchschlug. Er blickte sich um. Drei Wallonen liefen durch die Gasse auf ihn zu, in der Hand Katzenbalger, die typischen Kurzschwerter der Söldner.
    »Lauft zum Dom!«, rief er seiner Frau und Anneliese zu. »Lauft so, schnell ihr könnt!«
    »Und was ist mir dir?«, fragte Martha verzweifelt und voller Angst.
    »Ich muss die Söldner aufhalten und komme gleich nach: Los, macht schon! Rennt um euer Leben!«
    Das wirkte. Anneliese packte ihre Mutter am Arm und zog sie im Laufschritt mit sich fort. Doch nur wenige Schritte weiter blickte sie noch einmal zurück. Ihr Vater stand breitbeinig mitten auf der Gasse, den mächtigen Bidenhänder auf der rechten Schulter. Dann sauste das Schwert durch die Luft, zerteilte zwei der wallonischen Söldner mit einem Hieb und schlug dem dritten den Katzenbalger aus der Hand. Der Mann wich voller Panik zurück. Weitere Söldner strömten nun in die Gasse und stürzten sich auf den einsamen Kämpfer. Doch mit wuchtigen Hieben trieb ihr Vater sie zurück, trennte ihren Kopf und ihre Arme vom Rumpf, zerschlug ihre Knie und schnitt mit seiner Klinge durch die Brustharnische, als wären sie aus Pappe. Schnell füllte sich die Gasse mit den Leichen der kaiserlichen Söldner.
    Entsetzt über das viele Blut, aber auch voller Stolz auf ihren Vater, lief Anneliese weiter, um ihre Mutter in Sicherheit zu bringen. Das kurze Schwert hielt sie mit dem Knauf nach vorn in der rechten Hand, um besser laufen zu können. Sie hatte keine Angst um ihren Vater. Er war ein Recke, ein Hüne, unbesiegbar im Schwertkampf, und würde sicherlich gleich nachkommen.
    Kurz darauf erreichten sie den Domplatz. Ein Kroate sprang auf sie zu, stellte sich ihnen in den Weg, das Schwert lässig in der rechten Hand.
    »Na, wohin du laufen, schönes Mädchen?«, grinste er sie frech an. Sein Atem roch nach Knoblauch und billigem Wein, und seine Zähne bestanden fast nur noch aus braunen Stummeln. Angewidert wichen Anneliese und ihre Mutter zurück, doch der Mann folgte ihnen.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte Anneliese, wie ein weiterer kroatischer Söldner von der Seite hinzutrat und sich hinter sie stellte.
    Nur jetzt kühlen Kopf bewahren!, dachte sie. Erinnere dich, was dein Vater dir beim Fechtunterricht immer wieder eingetrichtert hat.
    Dennoch wurden ihre Knie weich wie Wachs, und das hasste sie. Sie wollte jetzt nicht schwach sein! Sie durfte es nicht, sonst waren sie beide verloren!
    Ihre Mutter zitterte wie Espenlaub und bat: »Bitte, lassen Sie uns gehen. Wir haben Ihnen doch nichts getan.«
    »Alte Frau, du gehen«, nickte der Kroate, »aber schönes Mädchen kommen mit.«
    Anneliese schüttelte langsam ihren Kopf. Das schien dem Mann vor ihr nicht zu gefallen, denn er wurde sichtbar böse und rollte wild mit den Augen, um sie einzuschüchtern.
    Plötzlich spürte sie so etwas wie Wut. Wut auf diese verrohten Männer, die Menschen niederschlugen, die ihnen nichts getan hatten. Die Frauen schändeten und erwürgten. Die ihre Heimatstadt verwüsteten und plünderten.
    »Papa, hilf uns!«, rief sie wie unter einer Eingebung und blickte dem Kroaten über die rechte Schulter.
    Der Mann wandte seinen Kopf, um die Gefahr auszumachen.
    In diesem Moment knallte ihm Anneliese den Knauf ihres Schwertes mit aller Kraft unter das Kinn, stieß die Schwertspitze zurück in den Bauch des hinter ihr stehenden Söldners und zog danach dem Kroaten vor ihr die Klinge über den Hals.
    Die beiden Söldner gingen röchelnd zu Boden.
    »Komm, wir müssen weiter!«, rief Anneliese, packte ihre Mutter wieder am Arm und zog sie mit sich fort. Wie im Traum liefen sie auf den Eingang des Domes zu, rissen die Tür auf und drängten sich durch die dort schon versammelte Menschenmenge bis zum Chorgestühl kurz vor dem Seitenausgang zum Kreuzgang.
    Anneliese ließ sich in einen der mit reichen Schnitzereien versehenen Stühle fallen. Ihr Atem ging stoßweise, und ihr Herz raste.
    Was hatte sie da gerade getan?
    Sie blickte angewidert auf die blutige Klinge in ihrer Hand.
    Sie hatte zwei Menschen erschlagen! Sie, die zarte, mitfühlende und nachdenkliche Tochter

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