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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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Himmel empor. Rauch quoll aus den Straßenzügen und machte das Atmen schwer. Die Hitze wurde immer unerträglicher.
    Magdeburg war nicht mehr zu retten, das war klar.
    »Männer«, sagte er, »die Zeit zum Plündern ist sowieso vorbei. Der Feuersturm wird alles vernichten. In wenigen Minuten werden auch wir hier bei lebendigem Leibe verbrennen oder müssen ersticken. Macht, dass ihr fortkommt. Am besten, ihr verlasst die Stadt durch das Südtor. Dort brennt es noch nicht.«
    Er wandte sich an seinen Leutnant: »Münzhofer, Ihr sorgt dafür, dass ein Trupp hier als Wache antritt, sobald das Feuer keine Gefahr mehr darstellt.«
    Die Offizier nickte und marschierte mit den Männern zum Südtor, das zur Sudenburg führte. Nur die beiden Trabanten waren zurückgeblieben.
    »Ich brauche euch nicht mehr«, sagte Georg Ackermann. »Ihr könnt auch gehen. Aber geht am Haus des toten Druckermeisters vorbei und schickt die beiden Wachen aus der Stadt. Sie können es doch nicht vor dem Feuer retten.«
    Eilig machten die beiden sich auf den Weg.
    Georg Ackermann blieb allein zurück. Drinnen im Dom hörte er angsterfülltes und fragendes Stimmengewirr, Weinen von Kindern, Schmerzensschreie von Frauen. Es mussten sich Hunderte von Menschen im Dom drängen, die meisten wohl Frauen und Kinder. Sie hatten die Türen von innen fest verriegelt, sodass man sie nur mit Gewalt hätte öffnen können.
    Er hatte Mitleid mit diesen Menschen, konnte ihre Angst verstehen. Die Schreckensbilder aus seiner Jugendzeit traten ihm wieder vor Augen. Wie viele der eingeschlossenen Kinder hatten erleben müssen, wie auch ihre Eltern, Freunde und Verwandte erbarmungslos niedergeschlagen wurden! Wie viele verletzte kleine Seelen, die nie wieder unbeschwert lachen würden!
    Der Platz rund um den Dom war groß genug, dass das Feuer nicht auf das Kirchengebäude überspringen konnte. Trotzdem drückte er sich in den Haupteingang unterhalb der Türme. Die Luft wurde immer stickiger und machte das Atmen schwer.
    Was hielt ihn hier eigentlich noch? Etwa Tillys Befehl? Der Wunsch, die Menschen im Dom vor mordgierigen Gesellen zu schützen? Oder die Faszination des um sich fressenden Feuers? Nein, das war es nicht – genauso wenig wie die Sorge, jemand könnte seine Beute im Haus des Druckermeisters finden! Sein Inneres sagte ihm, dass es gut wäre, trotz des Feuersturms hierzubleiben, und sein Gefühl sollte ihn nicht trügen.

20.
    Langsam kam er wieder zu Bewusstsein. Etwas Warmes lief ihm die Wange hinunter in den leicht geöffneten Mund. Es schmeckte süßlich. Sein Kopf brummte, als wenn er mit dem Schädel gegen eine Wand gelaufen wäre. Rauch stieg ihm in die Nase, und das Knistern, Brummen und Rauschen eines mächtigen Feuers alarmierte ihn.
    Benommen öffnete Benno die Augen und hob den Kopf.
    Wo bin ich? Was ist geschehen? Was wollte ich?
    Es musste etwas Wichtiges gewesen sein, aber er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, sosehr er auch sein Gehirn zermarterte.
    Er lag gekrümmt auf dem Kopfsteinpflaster einer Straßenkreuzung. Das Eckhaus war durch eine Explosion zerstört worden. Neben ihm lag ein Ziegelstein, der ihn dabei am Kopf getroffen haben musste.
    Aus den Dächern und Fenstern der Häuser um ihn herum züngelten Flammen, während die Straßenzüge weiter hinten schon lichterloh brannten. Qualm wälzte sich durch die Gassen, nahm ihm den Atem, würgte ihm tief unten im Hals.
    Ein heftiger Hustenanfall schüttelte ihn.
    Ich muss hier weg, dachte er.
    Aber seine Beine versagten den Dienst.
    Was wollte ich nur?, fragte er sich wieder und wieder. Was war so wichtig, dass er sich in diese Hölle gewagt hatte?
    Rosa!, fiel ihm unvermittelt ein. Die Tochter des Gerbers. Ich wollte sie sprechen. Aber warum?
    Ein Gluthauch zog die Straße hinunter wie der Vorbote einer Feuerwalze, deren Flammenmeer alles Leben auslöscht.
    Ich muss hier unbedingt weg! Lieber Gott, gib mir die Kraft dazu!, dachte er.
    Mühsam stemmte Benno sich hoch, stand unsicher und mit zittrigen Beinen mitten auf der Gasse. Er zog sein Schwert aus der Scheide und stützte sich damit ab.
    Wo muss ich hin? Wie komme ich hier raus? Wo bin ich überhaupt?
    Benommen torkelte er die Straßenzüge zwischen den brennenden Häusern hinunter, ohne zu wissen, wo er sich in Sicherheit bringen konnte. Tote lagen auf den Gassen, Einwohner der Stadt: Männer, Frauen, Kinder – Jung und Alt. Alle erstochen, erschlagen, massakriert. Dazwischen einige Söldner, die die

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