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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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zwar alle ›lutherische Christen‹, aber der Hexenwahn beherrschte auch sie. Das hatte schon manches schöne Mädchen das Leben gekostet, das zu sehr in aller Munde war. Da war es besser, nicht aufzufallen.
    Die Worte des Mannes wühlten sie auf, und sie spürte seinen fauligen Atem, als stände er noch neben ihr. »Mit denen ist nicht zu spaßen!«, hatte er gesagt. Das klang wie eine Warnung. Eine Warnung, sich nicht mehr mit dem Fall Emmerich zu befassen.
    Warum nur? Hatte dieser Kerl doch Dreck am Stecken, oder wusste er etwas? Hatte er etwa den Mord beobachtet und wollte nun vom Stadtrat für seine Informationen Geld herausschinden? »Mit denen ist nicht zu spaßen!« Ha, solche Einschüchterungsversuche erschreckten sie nicht! So etwas forderte sie nur heraus. Von solch einem Kerl ließ sie sich sowieso nichts vorschreiben! Im Gegenteil, nun stand fest, wie sie den heutigen Abend verbringen würde.

4.
    Carl-Ulrich Stetter schlenderte mit seiner Tochter am Elbufer entlang. Ihr Gast Benno Greve schlief noch, und sie wollten ihn auf keinen Fall stören, damit er seine Kopfschmerzen auskurieren konnte. So gingen sie noch ein wenig vor dem Mittagessen nach draußen. Stetter liebte diese Ruhepole in seinem arbeitsreichen Leben. Besonders liebte er die Gespräche, die er dabei mit seiner Tochter führen konnte. Viele junge Leute zeigten kein Interesse mehr an den Gedanken, Einsichten und Erfahrungen älterer Menschen. Doch Anneliese wollte immer wissen, was andere dachten, und diskutierte deshalb auch gerne mit ihren Eltern.
    »Der Streit zwischen den Lutherischen und den Katholiken ist nie wirklich beigelegt worden«, erklärte er gerade seiner Tochter. »In Augsburg haben sie nur einen Scheinfrieden geschlossen, und all die anderen Verträge beruhten doch nur auf faulen Kompromissen. Deshalb gab es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen den beiden Konfessionen.
    Ich kann mich noch daran erinnern, wie Donauwörth mit der Reichsacht belegt wurde, nur weil man den Katholiken verboten hat, eine Prozession durchzuführen. Maximilian von Bayern ließ daraufhin die Stadt besetzen. Seitdem hatten die Einwohner keine Religionsfreiheit mehr.«
    »Und warum ist schließlich der Krieg ausgebrochen?«, wollte Anneliese wissen.
    »Nun, in Böhmen kam es zu immer größeren Spannungen. Viele protestantische Kirchen wurden einfach geschlossen und teilweise sogar niedergerissen. Die wütenden Protestanten warfen daraufhin die kaiserlichen Statthalter einfach aus den Fenstern der Prager Burg. Den drei Beamten ist dabei aber nichts passiert.«
    »Nichts passiert?«
    »Nein, sie kamen mit einigen Beulen und dem Schrecken davon. Die Katholiken sind ja der Überzeugung, dass Gott und die heilige Jungfrau Maria sie beschützt haben. Man munkelt jedoch, dass die Statthalter in einem riesigen Misthaufen unter den Fenstern gelandet sind.«
    Anneliese lachte laut auf. »In einem Misthaufen?!«
    »Ja, aber damit begann der Krieg, denn das ließ sich Kaiser Ferdinand II., der nach dem Tod von Matthias als dessen Nachfolger zum Kaiser gekrönt wurde, nicht gefallen. Die Katholischen haben in Böhmen genauso gewütet wie die Spanier in Holland. Viele protestantische Führer wurden hingerichtet, und zwei Drittel der Evangelischen aus dem Land vertrieben. Die Ländereien wurden dann zu Spottpreisen von den Habsburgern an Katholiken verschleudert. Kein Wunder, dass die Leute dort die Deutschen nun hassen.«
    Anneliese war still geworden. Dann sagte sie leise: »Wie viel Leid, wie viel Unrecht! Wenn uns so etwas passieren würde, gar nicht auszudenken wäre das. Alles verlassen, alles aufgeben müssen, die Heimat verlieren, vor dem Nichts stehen.« Dann blickte sie auf: »Aber der Kaiser ist dabei reich geworden, nicht wahr?«
    Ihr Vater nickte: »Ja, er hat dadurch viel Geld bekommen, um den Krieg und das Morden fortsetzen zu können.«
    »Nun tobt der Krieg seit dreizehn Jahren im Deutschen Reich und kommt Magdeburg immer näher«, dachte Anneliese laut, »und immer noch bringen sich Christen gegenseitig um, wo doch Jesus gesagt hat, dass wir unsere Feinde lieben sollen. Ich versteh das einfach nicht.«
    »Nun, es ist schon lange kein Religionskrieg mehr«, erklärte Carl-Ulrich Stetter. »Im Grunde handelt es sich hier um einen Machtkampf um die politische Vorherrschaft in Europa. Auf der einen Seite stehen die Österreicher, die den Kaiser aus dem Hause Habsburg stellen, und die Spanier. Auf der anderen Seite befinden sich, nachdem die

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