FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Messinghaube, unter der Speisen oder Tee warm gestellt wurden.
Die gute Stube der Stetters war stilvoll mit Möbeln des Frühbarocks eingerichtet. Ihr poliertes Holz gab ein Spiel von Licht und Schatten wider. Einlegearbeiten aus Schildpatt und Elfenbein machten sie genauso unverwechselbar wie die geschwungenen Linien und gewölbten Flächen der Möbel.
Benno war beeindruckt. Meister Stetter und seine Frau hatten Geschmack. Sie liebten offensichtlich das Neue und Moderne und hielten nicht am Althergebrachten fest. Und auch Anneliese trug nicht mehr diese Kleider aus den Anfangstagen des Frühbarock, in denen seiner Meinung nach die Frauen so unförmig aussahen wie – aufgeplatzte Würste.
Ihr dunkelgrünes faltenreiches Kleid mit den glatten, engen Ärmeln und tief sitzender Taille, darüber ein kurzes Leibchen mit Hängeärmeln und Spitzenkragen, ließen sie schlank und attraktiv erscheinen. Sicherlich trug sie dazu außerhalb des Hauses einen federgeschmückten Filzhut mit umgelegter Krempe, unter der ihr schwarzbraunes lockiges Haar hervorquoll. Benno konnte sich das sehr gut vorstellen. Sie war schon ein hübsches Mädchen – nein, mehr noch, sie war eine klassische Schönheit!
Während er an Anneliese dachte, verblasste das Bild der blonden Gerberstochter unmerklich. Benno ertappte sich sogar bei dem Gedanken, ob er mit solch einer gebildeten und attraktiven Frau nicht sein Leben verbringen wolle. Was für Gedanken ihm kamen! Er riss sich zusammen. Natürlich kannte er sie noch nicht wirklich. Vielleicht war sie ja zickig oder eingebildet und hochnäsig. Obwohl Benno das kaum glauben konnte. Er hatte zwar nur wenige Worte mit ihr gewechselt, doch er beurteilte Menschen oft nach ihren Augen. Und Annelieses dunkelbraune Augen hatten ihn wirklich offen und liebevoll angesehen. Er vermutete hinter diesem Blick eine sanfte und einfühlsame junge Frau, die dazu klug und gebildet war.
Und gewiss hatte sie tausend Verehrer! Söhne reicher Kaufleute und Ratsherren, die ihrer Angebeteten ein Leben im Luxus und Wohlstand bieten konnten. Benno seufzte. Welche Chancen hatte da ein junger, mittelloser Advokat?!
Ein Gemälde des italienischen Künstlers Agostino Carracci zog seine Blicke an. Wie viele Werke dieser Zeit war es durch seine kontraststarken Farben voll Lebendigkeit und Bewegung. Es zeigte ein Motiv aus einer antiken Sage. Doch bevor Benno sich näher damit beschäftigen konnte, öffnete sich die Tür und eine Dame mittleren Alters trat herein.
Auch wenn Anneliese äußerlich nach ihrem Vater kam, sah Benno sofort, dass es ihre Mutter war. Man sah ihr die Schönheit ihrer Jugendzeit noch an, auch wenn sie in ihrem eleganten Kleid ein wenig füllig wirkte. Sie war ein mütterlicher Typ mit einem warmen Lächeln auf den Lippen.
Er wollte sich erheben, um die Dame des Hauses zu begrüßen, doch sie wehrte dies ab.
»Bleiben Sie nur liegen, junger Mann. Sie bekommen sonst nur Kopfschmerzen. Meine Tochter hat mir schon alles gebeichtet.«
Benno sank wieder auf das Kissen zurück.
»Wie geht es Ihnen heute?«, fragte ihn Annelieses Mutter.
»Blendend!«, antwortete ihr Benno, beeilte sich aber hinzuzufügen: »Nun ja, schon ein wenig besser«, als er den Zweifel in ihren Augen sah.
Sie trat an das Sofa und streckte ihm ihre Hand entgegen: »Ich bin Martha Stetter, Annelieses Mutter.«
Eine unkomplizierte Frau, dachte Benno erfreut, hält sich nicht an die steifen Regeln des gesellschaftlichen Umgangs. Dann sagte er höflich: »Ich bin erfreut, Sie kennenzulernen.«
»Mein Gatte und ich haben Ihnen viel zu danken. Schließlich haben Sie unsere Tochter vor schweren Verletzungen bewahrt.«
»Nicht der Rede wert«, erwiderte Benno.
»Doch, doch! Stellen Sie sich vor, sie wäre auf ihr Gesicht gefallen, hätte sich die Nase gebrochen und die Zähne ausgeschlagen. Gar nicht auszudenken wäre das. All die Schmerzen und vielleicht auch ein entstelltes Gesicht. Deshalb sind wir Ihnen von Herzen dankbar. Sie waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wie können wir das nur wiedergutmachen?«
»Sie brauchen nichts gutzumachen, Frau Stetter. Einer so hübschen Dame wie Ihrer Tochter zu helfen, das hat mir Freude bereitet.«
Man sah deutlich, wie sehr Martha Stetter das Kompliment gegenüber ihrer Tochter freute.
Unten im Kontor begann jemand laut zu schimpfen. Es musste der Druckermeister sein.
Benno erkannte seine Stimme wieder. Offensichtlich regte ihn irgendetwas furchtbar auf.
Martha Stetter schien
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