FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Bennos Gedanken zu erraten.
»Mein Gatte ist normalerweise ein ruhiger und besonnener Mann,« erklärte sie, »aber über Dummheit regt er sich auf. Er ist gerade mit unserer Tochter von einem Spaziergang zurück. Unterwegs hat er von einem Freund erfahren, dass vor einigen Wochen sechzig Reiter aus Magdeburg an der sächsischen Grenze die Tür eines Gasthauses eingetreten haben, um den Obristen Leutnant Chiesa mit seinen sieben Begleitern festzunehmen. Sie haben die Männer anschließend in einem Waldstück ermordet. Dabei haben sie auch eine Menge wichtiger Geheimpapiere in ihren Besitz gebracht.«
Martha Stetter hielt kurz inne und schüttelte ihren Kopf.
»Wie konnten sie nur so dumm sein! Leutnant Chiesa ist für die Kaiserlichen ein Held, ein Heiliger. Kaiser Ferdinand II. hat ihn sogar zum Ritter geschlagen! Das werden Tilly und Pappenheim nicht ungestraft lassen. Mein Gatte sagt, dieser Mord werde Magdeburg das Genick brechen. Jetzt werde Tilly zurückkommen und die Stadt angreifen. Die vielen Überfälle von Christian Wilhelm …«
»Sie meinen Christian Wilhelm, den Sohn des Kurfürsten …?«, unterbrach Benno sie ein wenig unhöflich.
»Ja, des Kurfürsten von Brandenburg. Er ist der Verwalter oder Administrator des protestantischen Bistums Magdeburg. Seine Überfälle auf katholische Ländereien, besonders die Besetzung der Grafschaft des Herrn Wolffen von Mansfeld im letzten Jahr, hat die Kaiserlichen schon ziemlich wütend gemacht, und nun das noch!«
»Magdeburg war ja bis vor zwei Jahren eine neutrale Hansestadt und hatte sich aus dem Streit zwischen Katholiken und Protestanten herausgehalten«, sagte Benno erstaunt, »deswegen dachte ich, dass die Leute hier nicht so sehr die Konfrontation mit dem Kaiser suchen, wie in anderen Städten.«
»Das war vielleicht einmal. Doch davon kann ja jetzt keine Rede mehr sein!«, ereiferte sich Martha Stetter. »Die Leute hier haben sich vom Administrator einwickeln lassen, und der ist ein törichter Mann und ein Kriegstreiber.«
»Aber als die niedersächsischen Reichskreise beschlossen hatten, wegen des Kriegsverlaufs ein Heer aufzustellen, hatte Magdeburg sich noch geweigert, dafür Zahlungen zu leisten, weil sie eine neutrale Hansestadt sei und angeblich auch Reichsfreiheit habe.«
»Das hat den Kaiser ja auch günstig gestimmt, aber die Bürger haben seine Mahnungen, sich nicht in den Krieg einzumischen, in den Wind geschlagen. Nachdem Wallenstein den Dänenkönig Christian IV. und die Niedersachsen bei Lutter am Barenberge geschlagen hatte und die Kaiserlichen hier im Umland immer größeren Ärger machten, haben sich viele Bürger und Ratsmitglieder auf die Seite Christian Wilhelms geschlagen. Einflussreiche Ratsmitglieder, wie Johann Alemann und sein Schwiegersohn Otto Guericke, haben aber weiter den Ausgleich mit Kaiser Ferdinand II. gesucht. Alle Ratschläge von Johann Alemann wurden jedoch in den Wind geschlagen. Man hat ihn schließlich sogar der Stadt verwiesen, um ihn mundtot zu machen. Er lebt nun auf seinem Gut Sohlen vor der Stadt.«
Benno überlegte: »War der Administrator des Erzstiftes nicht vor drei Jahren vom Domkapitel abgesetzt und August von Sachsen als Nachfolger gewählt und später der Kaisersohn Leopold Wilhelm zum Erzbischof von Magdeburg ernannt worden? Woher dann der ganze Ärger?«
»Das ist eine traurige Geschichte. Kaiser Ferdinand II. wollte das Gebiet rekatholisieren. Dazu hatte Wallenstein mit seinen Truppen unsere Stadt weitgehend von allen Zufuhren abgeschnitten, um Druck auszuüben. Und weil der Rat nur beschwichtigte, haben die Fischer und Schiffsknechte schließlich die Truppen Wallensteins angegriffen. Der Rat versuchte daraufhin mithilfe der Hansestädte den Konflikt zu entschärfen, aber Wallenstein war unnachgiebig und verlangte eine Öffnung der Stadt für seine Truppen. Weil es uns immer schlechter ging, wiegelten die Anhänger des abgesetzten Administrators und einige Pfarrer mit ihren Predigten die Menschen auf, die Belagerer zu bekämpfen. Besonders der fanatische Dr. Christian Gilbert de Spaignart von der Ulrichskirche hat sich hier unrühmlich hervorgetan. Magdeburg sei eine Bastion des lutherischen Glaubens. Sie müsse mit allen Mitteln gegen die Katholischen verteidigt werden.«
»Ein kleiner Volksaufstand«, warf Benno ein.
»Ja, das kann man so sagen. Schließlich wurde die Lage für den Rat so bedrohlich, dass man aus jedem Stadtviertel eine Vertrauensperson wählen musste, die dem Rat zur
Weitere Kostenlose Bücher