FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
werde ich euch zu Pikenieren ausbilden, Männer, die mit ihren Piken einen undurchdringlichen Wall aufbauen, den auch kein Reiter durchbrechen kann.«
Er räusperte sich.
»Schon mal was vom ›Katzenbalger‹ gehört? Auch den Kampf mit dem Kurzschwert werdet ihr lernen.«
Er zog sein etwa armlanges Schwert aus der mit Leder überzogenen Holzscheide.
»Den Namen trägt es nicht umsonst: Es ist so kurz, dass Uneingeweihte vermuten, man könne sich damit höchstens gegen Mietzekatzen verteidigen. Doch im Nahkampf ist es dem Langschwert haushoch überlegen. Der Griff wird nicht durch eine Parierstange, sondern durch einen Korb geschützt. Dadurch kann euch der Gegner nicht so leicht an der Hand verletzen.« Ackermann hielt inne. Er liebte deutliche Sprache – die Söldner sollten wissen, worauf sie sich einließen: »Ich sagte: Nicht so leicht. Ein geschickter Kämpfer wird euch dennoch die Knochen des Handrückens brechen oder Adern und Sehnen am Handgelenk zerschneiden – und dann ist Feierabend!«
Er schob den Katzenbalger in die Scheide zurück.
»Hier an der Scheide habt ihr Nebenfächer für Messer, Gabel, Pfriem und andere Utensilien, die ein Landsknecht täglich zur Hand nimmt.«
Georg Ackermann griff eine zehn Ellen lange Pike, die einer seiner Trabanten hielt.
»Das aber ist eure Hauptwaffe: die Pike. Damit baut ihr einen Schutzwall auf, eine sogenannte Riposte. Dabei stehen die Landsknechte in vier bis sechs Reihen hintereinander. Sobald der Befehl erschallt ›Pike fällen‹ hocken die beiden ersten Reihen ab und stemmen ihre Pike in den Boden, die Spitze nach vorne. Die zweite Reihe füllt die Lücke zwischen den Schultern der vorderen Männer. Die hinteren Reihen richten ihre Piken über die hockenden Kameraden auf den anrückenden Feind. So entsteht ein Wall von Speerspitzen, den Kürassiere mit ihren kurzen Lanzen nicht überwinden können, außer sie begehen mit ihren Pferden Selbstmord.«
Er blickte die Reihe der angetretenen Männer entlang. Er musste sie herausfordern.
»Bis ihr so weit seid, dass wir euch in den Kampf schicken können, werden wir euch drillen, drillen und nochmals drillen, dass der Schweiß in Strömen läuft. Krieg ist kein Kinderspiel. Verstanden?«
Die Männer nickten verunsichert. Offensichtlich war ihnen nicht ganz geheuer. Jeder Kampf konnte ihnen den Tod bringen, egal ob sie aufgespießt, von einer Kugel getroffen oder mit dem Schwert niedergeschlagen wurden. Aber was war die Alternative dazu? Auf geplünderten Höfen verhungern oder an der Pest verrecken? Dann lieber ein fröhliches Söldner-Leben und eines Tages den bösen, schnellen Tod!
Georg Ackermann erahnte ihre Gedanken. Es waren immer dieselben bei allen Neuen. Das Leben war hart und kurz, seit der Krieg das Land verwüstete, und Gevatter Tod hielt jeden Tag reiche Ernte. Ein Narr, wer da das Leben nicht in vollen Zügen genoss!
10.
»So, Meister Stetter, da bin ich, Ihr wissbegieriger Schüler.« Benno Greve schaute Annelieses Vater erwartungsvoll an. »Ich denke, jetzt, wo es mit der Verteidigung der Stadt ernst wird, wäre es nicht schlecht, wenn ich mit dem Schwert umgehen könnte.«
»Keine Frage, Sie sollten es auf jeden Fall lernen. Aber wir haben in einer Stunde eine Sondersitzung des Rates, um darüber zu debattieren, wie wir uns nun verhalten sollen. Tillys Ankunft vor den Schweden ergibt eine völlig neue Situation. Der Feldherr hat der Stadt ein Ultimatum gestellt. Magdeburg solle sich auf seine Treuepflicht gegenüber Kaiser Ferdinand II. besinnen. Im Gegenzug werde er, Tilly, Freiheit und Eigentum der Bürger garantieren.«
»Ein faires Angebot«, sagte Benno, »ich würde es annehmen, auch wenn es die Stadt etliches kosten wird. Aber, was ist das schon gegen die vielen Menschen, die sonst ihr Leben verlieren würden?!«
»Ich denke genauso«, nickte Carl-Ulrich Stetter, »und auch die meisten Ratsmitglieder würden am liebsten sofort auf Tillys Forderungen eingehen. Der Magistrat weiß ganz genau, dass die Verteidigung der Stadt gegen die Kaiserlichen kaum möglich ist. Aber Stadtkommandant Dietrich von Falkenberg wird etwas dagegen haben, und auch der Prediger der Ulrichskirche, Gilbert de Spaignart, wird alle seine Redekünste einsetzen, um die Leute umzustimmen.«
Er schüttelte seinen Kopf.
»Ich befürchte, dass diese unverbesserlichen Fanatiker ihren Kopf durchsetzen werden. ›Wir sind des Herrgotts Kanzlei!‹ Das ist der protestantische Rosenkranz, den sie endlos
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