FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Stadtmauer entlang, doch mit schicklichem Abstand. Benno konnte seine Gedanken nicht daran hindern, immer wieder zum Gerberviertel zu wandern, in dem die Frau mit dem schönsten Lächeln der Welt wohnte.
Feldherr und Generalleutnant Johann Tserclaes Graf von Tilly war trotz seiner zweiundsiebzig Jahre und der nur mittelgroßen, hageren Statur immer noch eine stattliche Erscheinung. Seine scharfen Gesichtszüge, die hohen Wangenknochen und die großen, unter buschigen grauen Brauen hervorblickenden, feurigen Augen verrieten einen unnachgiebigen Charakter und strenge Disziplin. Er schien Aufwand und Getöse um seine Person sowie äußere Ehrenbezeugungen zu hassen. Auch wenn seine Armee durch die entbehrungsreichen Wintermonate und Kämpfe ziemlich heruntergekommen war, herrschten dennoch Ordnung und Disziplin in Tillys Lager. Das musste Georg Ackermann anerkennend zugeben.
Der siebenundreißigjährige Feldmarschall Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim wirkte mit seiner hohen, längs eingekerbten Stirn und den langen lockigen Haaren neben Tilly fast ein wenig grob. Dennoch galt er als äußerst gebildeter Mensch, der nach seinem Studium in Ingoldstadt und Tübingen Adelsrektor in Altdorf geworden war. Doch mit 25 Jahren hatte er sich für eine militärische Karriere entschieden und war kurz darauf schon Oberleutnant in einem Kürassierregiment geworden. Der Graf – von Geburt Protestant, aber mit zweiundzwanzig Jahren zum katholischen Glauben übergetreten – galt zwar als ein wenig impulsiv, war aber auch furchtlos und zuverlässig, und genau solch einen Mann brauchte seine Reiterei, um mutig und siegessicher in die Reihen ihrer Feinde preschen zu können. Kein Wunder, dass der Graf mit geschwellter Brust sagen konnte: »Ich kenne meine Pappenheimer!«
Auch Georg Ackermann war stolz, dass er zu dieser Truppe gehören durfte. Nachdem er durch Ernst von Mansfelds protestantische Horde alles verloren hatte, machte es ihm nichts aus, auf Seiten der Katholiken zu kämpfen, auch wenn er im Herzen immer noch Protestant war. Schließlich ging es hier schon lange nicht mehr um die Verteidigung des wahren Glaubens, sondern um Machtspiele und Bereicherung, um die Gier nach Macht und Besitz.
Er log sich nicht in die Tasche, dass es auch ihm nur darum ging. Doch nachdem er zum Kapitän aufgestiegen war – weiter würde er es als Nichtadeliger wohl nicht bringen –, fühlte er sich nicht besser als vorher. Macht haben, über andere entscheiden zu können, Herr sein über Leben und Tod anderer, das alles machte ihn ebenso wenig glücklich wie die Perlen, Kelche und Dukaten in seiner Truhe, die er bei Plünderungen zusammengerafft hatte. Und er musste zugeben, dass diese Gier ihn zwar viele Jahre angetrieben hatte, ihn aber nun innerlich leer und hohl zurückließ.
Ich muss so bald wie möglich aussteigen, sagte er sich in Gedanken, während er mit den anderen Offizieren um die beiden Generäle stand, sonst verliere ich noch meine Seele!
Dieser Gedanke gab ihm plötzlich inneren Auftrieb. Trotzdem blickte er ausdruckslos und gleichmütig auf die Befehlshaber. Niemand sollte wissen, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen und welche Gefühle ihn verwirrten. Er spielte den anderen – und oft auch sich selbst etwas vor – und genau das war es, was er unter dem Verlust seiner Seele verstand. Er durfte schon seit Jahren nicht mehr er selbst sein, der unbeschwerte junge Mann, der voller Begeisterung die Welt aus dem Angeln heben wollte. Der Ziele und Pläne hatte, sich aber auch nach zärtlicher Liebe und Geborgenheit sehnte. Der Krieg hatte eben alles verändert.
Tilly hatte alle Offiziere, dazu auch die Grafen Wolfgang von Mansfeld, Duc de Savette und die Generalkommissare Walmerode und Ruep gleich am Tag seiner Ankunft nach Möckern in sein Hauptquartier berufen, um mit ihnen die Pläne zur Eroberung Magdeburgs zu besprechen.
»Ich will mich hier nicht gemütlich einrichten, sondern sofort mit der Eroberung der Stadt beginnen!«, sagte er, als dulde er keinen Widerspruch. »Je länger wir zögern, desto schwieriger wird die Versorgung unseres Heeres. Außerdem steht es um die Moral der Männer nach all den Entbehrungen im letzten Winter nicht zum Besten. Wir brauchen Erfolge, und zwar so schnell wie möglich!«
Der Feldherr räusperte sich kurz, dann fuhr er fort: »Ich habe auch keine Lust zwischen Gustav Adolfs Schweden und den Magdeburgern aufgerieben zu werden. Deshalb werden wir morgen bei Sonnenaufgang zusammen
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