FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
bemerkte. Die Männer waren so leise, dass noch nicht mal die Hunde sie witterten.
Angespannt lagen sie nun im Graben und hofften, nicht vorzeitig entdeckt zu werden. Die Stunden schienen sich zur Ewigkeit zu dehnen, und die Nacht wollte nicht enden. Glücklicherweise hatte der Nieselregen aufgehört, doch der steil aufragende Wall vor ihnen war dadurch glitschig geworden. Sie mussten also höllisch aufpassen, damit ihr Sturm den Wall hinauf nicht in einer Rutschpartie rückwärts endete und sie im Graben wie Hasen abgeschossen wurden.
Das Pappenheimer Kanonenfeuer schreckte sie hoch. Wie eine Horde Lemminge kletterten sie lautlos den Wall hinauf und fielen über die verdutzte Wachmannschaft her. Die meisten Magdeburger Soldaten waren durch das Donnern der Kanonen aus ihren morgendlichen Träumen gerissen worden und schauten noch schlaftrunken und verwirrt in die Läufe der Faustbüchsen der Angreifer.
»Waffen fallen lassen!«, rief ein junger, drahtiger Offizier den Männern zu. »Wir ergeben uns! Es lohnt sich nicht, zu kämpfen.«
Er selbst zog Schwert und Dolch langsam aus dem Gürtel und warf die Klingen zu Boden. Seine Männer folgten ihm zögernd.
Georg Ackermann atmete auf. Ein leichter und schneller Sieg, ohne Verluste und Verwundete! Das würde seine Stellung unter den adeligen Offizieren nur verbessern.
Er ging zu dem jungen Offizier hinüber, verbeugte sich knapp und stellte sich vor: »Georg Ackermann, Kapitän im Regiment des Feldmarschalls Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim.«
Der Offizier grüßte zurück: »Kapitän Böse, Magdeburger Stadtsoldaten.«
Ackermann musste innerlich lächeln, denn böse sah der Offizier überhaupt nicht aus. Im Gegenteil, er wirkte recht sympathisch.
»Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Entscheidung, sich zu ergeben«, fuhr Ackermann fort. »Es hätte nur ein wildes Gemetzel mit vielen Toten gegeben, und die Schanze wäre dennoch verloren gewesen.«
»Sie waren in der Überzahl und haben uns völlig überrumpelt«, erwiderte Kapitän Böse. »Ich habe höchste Achtung vor Ihnen und Ihren Männern!«
Er blickte sein Gegenüber fragend an: »Was geschieht nun mit uns?«
Georg Ackermann zuckte mit den Schultern: »Wahrscheinlich wird Feldmarschall Tilly Sie abwerben wollen. Er braucht dringend neue Männer, und er bezahlt gut.«
»Das werden wir von vornherein ablehnen. Wir sind keine Söldner, sondern Stadtsoldaten von Magdeburg, und wir kämpfen auf keinen Fall gegen unsere Glaubensbrüder!«
»Dann weiß ich auch nicht, was der Feldmarschall mit Ihnen und Ihren Männern tun wird. Vielleicht setzt er Sie einfach nur fest, bis Magdeburg gefallen ist.«
Georg Ackermann rief Leutnant Münzhofer zu sich, der in der Nähe stand: »Schicken Sie einen Boten mit der Nachricht zu Feldmarschall Pappenheim, dass die Schanze Trutz Tilly ohne Verluste in unsere Hände gefallen ist. Er soll Weisung geben, wie wir mit den Gefangenen verfahren sollen.«
Leutnant Münzhofer schickte sofort einen der schnellsten Läufer der Kompanie los. In der Zwischenzeit unterhielten sich die drei Offiziere über den Krieg und die Aussichten Magdeburgs.
»Ich bin wie Sie Protestant, Kapitän Böse. Trotzdem kämpfe ich auf der Seite des Kaisers, weil es hier nicht um den evangelischen Glauben geht, sondern um die politische Stabilität des Reiches«, erklärte Georg Ackermann seinem Gefangenen. »Graf Peter Ernst von Mansfeld dagegen, ein Katholik und Verwandter unseres Wolfgang von Mansfeld, steht auf der Seite der protestantischen Fürsten. Seine Soldaten haben übrigens meine Eltern ermordet. Sicherlich ist das einer der Gründe, weshalb ich nun unter Tilly diene. Durch meine ›lieben Glaubensbrüder‹ habe ich alles verloren – auch meine jugendliche Unschuld.«
Kapitän Böse war nachdenklich geworden. Schließlich sagte er leise: »Ja, Krieg führt immer nur zu Unrecht und Gewalt. Später weiß niemand mehr, wer wirklich für all das verantwortlich ist. Gebe Gott, dass es bald ein Ende hat!«
Der Läufer kam zurück, völlig verschwitzt und außer Atem. Georg Ackermann und Münzhofer ließen Kapitän Böse stehen und gingen dem Mann entgegen. Nachdem dieser einen halben Krug Wasser getrunken und sein Atem sich wieder beruhigt hatte, machte er Meldung.
»Kapitän, Leutnant – der Graf ist nicht in bester Stimmung, gelinde gesagt.«
Georg Ackermann und Münzhofer schauten sich fragend an, dann sagte der Leutnant: »Aber wir haben doch die Schanze im Handstreich
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