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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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erfolgreich, denn diese protestantischen Länder sind nun wieder katholisch.«
    Benno nickte und fragte sie: »Und nun meinst du, dass sie nach ihren Erfolgen im Süden auch den Norden des Deutschen Reiches zurückerobern wollen?«
    »Ja, davon bin ich überzeugt. Sie wollen uns rekatholisieren, und das mit aller Macht. Jeder, der sich dagegen wehrt, dem drohen sie mit dem Schwert. Nun sind wir Norddeutsche ein wenig stur und dickköpfig und halten an unseren Überzeugungen fest. Deshalb fürchte ich, dass die Kaiserlichen auch hier bei uns ein Blutbad anrichten werden.«
    Benno legte seine Hand beruhigend auf ihren Arm.
    »Du hast Angst davor, dass auch unsere Stadt im Blut schwimmen wird, und dass man sagen wird: ›Hier hat Magdeburg einmal gestanden!‹?«
    Anneliese nickte stumm, während sie das Buch zuklappte und auf den Titel starrte. »Erschreckliche Prophezeyung D. Martini Luthers«, las Benno halblaut.
    Er atmete tief durch.
    »Ich weiß nicht, was kommt«, sagte er schließlich, »doch wenn Tillys Männer tatsächlich die Mauern stürmen sollten, dann flieh mit deinen Eltern in den Dom – so schnell ihr könnt. Dort seid ihr sicher. Tilly wird den Dom und die Menschen dort drinnen schonen. Er ist für ihn ein heiliger Ort. Und es sind nur wenige Schritt bis dorthin.«
    Anneliese nickte wieder: »Du hast recht. Der Generalleutnant wird nicht wagen, die Ruhe des Doms durch Mordbrennerei zu stören und den Ort zu entheiligen.«
    Sie schwiegen beide eine Zeit lang, und Anneliese genoss die Stille. Wenn sie Benno nur näher sein könnte! Wie gern würde sie ihren Kopf an seine Brust legen und einfach vor sich hin träumen. Die Bilder von brennenden Trümmern und erschlagenen Menschen, die ihr beim Lesen von Luthers Weissagungen vor Augen getreten waren, verschwanden wieder.
    Sie lächelte Benno an. Bei ihm fühlte sie sich sicher und geborgen.
    Als könnte er ihre Gedanken erraten und wollte davon ablenken, sagte er: »Dein Vater hätte wohl gerne einen Jungen gehabt, nicht wahr? Wer bringt seiner Tochter schon das Fechten bei?!«
    »Er hätte zwei Söhne haben können«, begann Anneliese zu erzählen, »aber sie sind beide verstorben. Der eine Junge hat die Geburt nicht überlebt. Meine Mutter hat geschrien und gekämpft, aber der Junge starb, kaum dass er auf der Welt war. Lange Zeit danach war sie sehr niedergeschlagen, denn sie wollte doch den sehnlichsten Wunsch meines Vaters erfüllen. Mein zweiter Bruder starb mit drei Jahren an der Schwindsucht. Da begann mein Vater, medizinische Werke von Paracelsus, Avicenna, Francis Bacon oder Andreas Vesalius zu lesen. Nie wieder sollte eines seiner Kinder vorzeitig sterben. Doch dann kam ich zur Welt und blieb am Leben. Ich glaube, er liebt mich über alles – als Mädchen. Aber er hat mir auch manches beigebracht, was Väter sonst nur ihren Jungen zeigen.«
    »Jetzt verstehe ich auch, warum deine Mutter einen Zug von Traurigkeit in ihrem Gesicht trägt«, sagte Benno voller Mitgefühl.
    »Ja, der Verlust eines Kindes kann für eine Mutter schwerer sein als der Verlust ihres Mannes. Sie muss etwas zurücklassen, das ein Teil von ihr ist – einen Menschen, dem sie das Leben geschenkt hat. Und dieser Schmerz sitzt tief.«
    Nachdem Benno gegangen war, saß Anneliese noch lange regungslos am Fenster. Der junge Mann und sie waren sich heute sehr nah gekommen. Er war nachdenklich, verständnisvoll, innerlich stark, dabei auch liebevoll und zärtlich, und damit hatte er ihre Seele berührt. Ja, mit einem solchen Mann könnte sie ihr Leben teilen und ihn von ganzem Herzen lieben!
    Am Donnerstag war es Oberstleutnant Joachim von der Staude gelungen, sich unerkannt nach Magdeburg durchzuschlagen. Mit einem Boot hatte er sich in der Dunkelheit der Nacht die Elbe hinuntertreiben lassen und war noch vor Sonnenaufgang über das Osttor in die Stadt gelangt.
    Sofort wurde er zum Rat der Stadt geführt, wo er verkündete, Gustav Adolf werde zur rechten Zeit die Stadt von ihren Belagerern befreien. Diese Zusage ging wie ein Lauffeuer durch Magdeburg, und viele Einwohner schöpften wieder Hoffnung. Der Schwedenkönig würde sie nicht im Stich lassen! Er hatte es versprochen!
    Hinzu kam, dass die Magdeburger in den letzten Tagen einige Erfolge verzeichnen konnten. Am Mittwoch hatten sie einen Ausfall gegen die am Neustädter Elbufer lagernden Soldaten gewagt. Hundert der Kaiserlichen waren gefallen und andere gefangen genommen worden, darunter sogar ein Generaladjutant.
    Alle

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