FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
nicht.
»Die sitzen sicherlich in ihren Löchern und klappern vor Angst mit den Zähnen«, lachte der Graf, »doch dafür werden sie noch genügend Zeit haben, wenn wir sie in die Hölle geschickt haben.«
Unterschätze diese Leute nicht, dachte Georg Ackermann nur.
Plötzlich bebte die Erde und kurz vor der Mauer schossen Staub, Erde und Pulverdampf in die Höhe.
»Verdammt!«, fluchte Pappenheim. »Die Kerle haben doch einen der neuen Tunnel gesprengt. Können die denn nicht aufpassen? Die ganze Arbeit ist vergeblich. Sie sollen die Mauer sprengen, nicht ihre eigenen Gänge.«
»Entschuldigen Sie, Feldmarschall«, wagte sich Georg Ackermann einzumischen, »es sieht eher so aus, als wenn die Magdeburger durch Horchposten herausfinden konnten, wo die Gänge unserer Miniere verlaufen. Sie haben ihnen nun entgegengegraben und unseren Gang in die Luft gejagt.«
Der Graf sah Ackermann verkniffen an: »Meinen Sie wirklich?«
Wie zur Bestätigung dröhnte die Erde wieder und noch einmal. Vor ihren Augen brach deutlich sichtbar die Erde ein, wo Farensbachs Miniere Tunnel gegraben hatten.
»Sie hatten recht, Kapitän, die haben tatsächlich unsere Tunnel gesprengt«, sagte Pappenheim bitter. »Aber das wird ihnen nichts nützen. Farensbach wird neue graben lassen. Wir werden sie schon kleinkriegen.«
Er blickte siegessicher in die Gesichter seiner Offiziere.
Doch dann brach drüben die Hölle los. Es schien, als wollten die Magdeburger alle verschossenen Kanonenkugeln und Bomben der Kaiserlichen an ihre Absender zurückschicken. Weil niemand mit einem solchen Gegenfeuer gerechnet hatte, hielten sich die meisten Soldaten nicht in Deckung auf. Und auch wer sich in den noch stehen gebliebenen Häusern der Neustadt verschanzt hatte, durfte sich nicht sicher fühlen. Die mit Lehm und Stroh gefüllten Wände der Fachwerkhäuser hielten dem Beschuss nicht stand, sondern brachen zusammen und begruben die Verschanzten unter sich. Schmerzensschreie und Staub erfüllten die Luft.
Georg Ackermann hatte sich instinktiv in einen der Laufgräben geworfen. Er presste sich dicht an den Boden und hoffte inständig, dass keine dieser neuartigen Explosionsgeschosse in den Graben rauschten. Nicht dass er Angst vor dem Tod hatte, aber ein abgerissenes Bein oder Eisensplitter im Bauch fürchtete er doch. Er hatte das Stöhnen und die Schreie von den Verwundeten und Sterbenden der letzten Tage noch in seinen Ohren. Ihre Qualen waren entsetzlich gewesen, und davor fürchtete er sich.
Der Tod ist nicht so schlimm, dachte er, aber das Sterben kann schrecklich sein.
Eine Bombe schlug kurz hinter dem Schützengraben ein und explodierte mit einem solchen Knall, dass er meinte, sein Trommelfell würde zerreißen. Steine, Sand und Erde stiegen in die Luft und prasselten auf ihn herab.
Als er vorsichtig seinen Kopf hob, sah er drei Metallsplitter, die sich neben ihm in die Grabenwand gebohrt hatten.
Plötzlich begann Georg Ackermann zu beten – zitternd, stammelnd, nach Worten suchend. Doch je länger er mit seinem Schöpfer sprach, desto leichter wurde ihm ums Herz. Der da oben hatte sicherlich seine Hand über ihn gehalten. Warum, das wusste Georg Ackermann nicht. Vielleicht hatte Gott ja noch etwas mit ihm vor.
Als schließlich die Magdeburger Geschütze schwiegen, erhob er sich aus dem Graben, um seine Männer zu sammeln. In seinen Ohren summte, dröhnte und pfiff es noch von der lauten Detonation der Bombe. Seine Beine waren wie Pudding. Er fühlte sich nicht wie ein Kriegsheld, der dem Feind entgegenlacht. Dafür war er heute dem Tod zu nahe gewesen. Aber er lebte, und das allein war ihm in diesem Augenblick wichtig.
Viele Kaiserliche waren von den Geschossen zerfetzt und verstümmelt worden, darunter auch ein ranghoher Offizier. Doch erleichtert konnte Ackermann feststellen, dass seine Kompanie nur wenige Verluste erlitten hatte.
Nachdem die Toten und Verletzten geborgen worden waren, befahl Feldmarschall Pappenheim den sofortigen Rückzug, um die Söldner außer Reichweite der Magdeburger Kanonen zu bringen. Georg Ackermann war froh darüber. Er begann den Krieg immer mehr zu hassen. Ja, er hasste ihn inzwischen schon mit seinem ganzen Herzen.
»Gustav Adolf kommt nicht«, erklärte Anneliese Benno die vertrackte Lage der Stadt.
»Aber er hat es doch fest versprochen!«, protestierte dieser. »Vorgestern, am Donnerstag, hat doch Oberstleutnant Joachim von der Staude gerade noch erklärt, der König werde Magdeburg nicht im Stich
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