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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Paglieri
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standen gleichzeitig auf.
    »Verzeihen Sie, Frau Doktor, im Moment geht es hier so zu. Ich hatte angeordnet, mich auf keinen Fall zu stören, aber wie
     Sie sehen …«
    Sofia Lanni machte aus ihrer Enttäuschung keinen Hehl. Der Kommissar dachte, daß sie mit ihrem Schmollmund furchtbar sexy
     aussah. »Ich müßte mit Ihnen mal in Ruhe reden, Herr Kommissar. Wenn Sie irgendwann einen Moment Zeit hätten, gegen Abend
     etwa … Ich bin in der Stadt, hier ist meine Visitenkarte mit der Handynummer.«
    Marco Luciani nahm sie und steckte sie in die Brieftasche. Einen Moment stellte er sich vor, daß die Frau sich nicht |153| nur beruflich für ihn interessierte, daß sie ihm die Nummer aus einem ganz anderen Grund zusteckte.
    Sie gab ihm die Hand: »Rufen Sie mich an, wenn Sie einen Augenblick Ruhe haben. Auch spätabends. Für eine halbe Stunde. Das
     ist wichtig für mich, und womöglich auch für Sie.«
    Wieder wandte er den Blick als erster ab. Er öffnete ihr die Tür und ließ sie in den Korridor vorausgehen, weil er sie von
     hinten sehen und, während sie auf ihren hochhackigen Schuhen davonstöckelte, den Déjà-vu-Effekt genießen wollte. Doch Iannece
     zog ihn zum Fahrstuhl. »Auf geht’s, Herr Kommissar, wir müssen.«
    Marco Luciani kam der Verdacht, daß Iannece nicht nur Theater spielte, er beschleunigte den Schritt, fand aber die Zeit, sich
     noch einmal – wie zufällig – umzudrehen. Er wollte sie um jeden Preis noch einmal von hinten betrachten, wenigstens für einen
     Augenblick. Aber sie war stehengeblieben und sah zu ihnen hin, sie lächelte ihnen zu und machte mit der Hand ein Zeichen.
    Kaum waren sie im Aufzug, als Iannece den Knopf für die Tiefgarage drückte, er lehnte sich an die Wand und grinste von einem
     Ohr zum anderen. »War ich gut, Herr Kommissar? Geben Sie es zu, Sie sind selbst drauf reingefallen …«
    Marco Luciani drückte den Nothalteknopf.
    »Iannece, wir zwei müssen mal ein ernstes Wörtchen miteinander reden.«
     
    Am Abend hatte er ein wenig mehr Appetit. Er schrieb das den beiden Tennisstunden zu, und nur diesen. Nach der Dusche hatte
     er sich auf die Waage gestellt – genau siebzig Kilo zeigte sie an. Nach dem Salat aus wildem Lattich und Karotten gönnte er
     sich eine Banane, dann nahm er eine Tasse Tee mit Zitrone, setzte sich aufs Sofa und stellte, ganz leise, eine CD mit Barockmusik
     an.
    |154| Es gab Instinkttäter und Verstandestäter. Und auch wer sich selbst tötet, kann das auf zwei Arten tun. Ein hypothetischer
     Selbstmord ist immer geplant, und oft gehen der erfolgreichen Tat mehrere Fehlversuche voraus. Aber der allerletzte Schritt
     kann einem plötzlichen Impuls entspringen. Das klassische Beispiel sind Fälle mit Schlaftabletten oder aufgeschnittenen Pulsadern.
     Ein Streit, die soundsovielte Enttäuschung, man kommt abends nach Hause und sagt: jetzt ist Schluß.
    Sollte Schiedsrichter Ferretti sich selbst umgebracht haben, dann hatte er sich für die spektakulärste Variante entschieden,
     im Stadion, in der Halbzeitpause eines absoluten Topspieles. Er wußte, daß er Frau und Kind damit zusätzliche Probleme bescherte,
     aber offensichtlich hielt er für wichtiger, daß es alle mitbekommen oder sogar miterleben würden. Daß alle verstehen würden.
     Vielleicht war es der grausam-ironische Beifall, der ihm den Todesstoß versetzt hatte, doch der Selbstmord war letztlich geplant
     gewesen. Er mußte alles vorbereitet haben, das Seil, das abgelegene Zimmer: Schiedsrichter sind akribisch, fast manisch genau.
     Aber wenn sein Selbstmord ein klares Signal sein sollte, warum hatte er dann keinen Zettel hinterlassen, einen Brief, ein
     paar Abschiedszeilen für die Familie, oder irgendeine Anklageschrift gegen den, der ihn in den Tod getrieben hatte?
    Oder vielleicht steckte die Botschaft gerade in den störenden Zwischentönen, in den Dingen, die fehlten (Schlüssel, Handy,
     Abschiedsgruß) oder in dem weggerückten Stuhl. Hatte Ferretti womöglich selbst Verwirrung gestiftet, damit sein Selbstmord
     wie ein Mord aussah? Das ergab keinen Sinn, es sei denn, er wollte, daß seiner Frau die Versicherungsprämie ausbezahlt wurde.
     Oder daß das System des Profifußballs ins Wanken geriet, ein Verdacht auf bestimmte Leute fiel. Das konnte sein. Aber |155| wenn er sich an jemandem rächen wollte, dann wäre es einfacher gewesen, eine etwaige Bestechung zu gestehen, Reue zu zeigen,
     Namen zu nennen.
Das
hätte einen faustdicken Skandal gegeben.
    Und wenn

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