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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Paglieri
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Ermittlungen herausgefunden hatten. Die ersten Zeugenbefragungen, das Unausgegorene, hatte
     er Giampieri und den anderen Beamten überlassen. Sie dienten im allgemeinen nur dazu, eine Unmenge an Details zusammenzutragen
     und vor allem die äußeren Tatumstände zu rekonstruieren: Zeitfenster und Räumlichkeiten, in denen der Täter agieren konnte.
     Für die Interpretation der Tat waren diese Angaben dagegen von geringer Bedeutung. Wenn man unmittelbar nach einem Mord beziehungsweise
     Selbstmord Fragen stellte wie: »Können Sie sich einen Grund vorstellen?«, »Wer könnte ein Interesse daran gehabt haben, ihn
     zu töten?«, »Welches Motiv gibt es für einen Suizid?«, dann bekam man in 99% der Fälle dieselben Antworten: »Ich habe nicht
     die leiseste Ahnung«, »Er war bei allen beliebt«, »Er war ausgeglichen und heiter, wie immer«, »Er kann sich nicht umgebracht
     haben.« Laut Polizeipsychologen war dafür teilweise der |28| Schock verantwortlich, teilweise war es die Angst der Leute, selbst unter Tatverdacht zu geraten, und zum Teil plagten die
     Befragten Schuldgefühle, weil sie die Tragödie nicht vorausgesehen und verhindert hatten.
    Wenn einige Stunden und Tage vergangen waren, dann würden diejenigen, die das Opfer näher kannten, doch auf eine Erklärung
     kommen. Oder zumindest würden sie es versuchen. Bestimmte Äußerungen würden ihnen wieder einfallen, Zwischenfälle, Blicke,
     merkwürdige Anrufe, und am Ende würden sie ein Szenario entwerfen, das womöglich irrig, aber doch mehr oder weniger sinnvoll
     war und zumindest den Ansatz eines Motivs enthielt. Im Laufe der kommenden Tage würde Marco Luciani alle Zeugen noch einmal
     persönlich vernehmen und nach einer Erklärung suchen. Er hatte gemerkt, daß die Leute in Verlegenheit, in die Defensive gerieten,
     wenn er in der Funktion des obersten Ermittlers auftrat, und deshalb sorgte er dafür, daß die Zeugen bei seinem ersten Auftreten
     möglichst nachhaltig eingeschüchtert wurden. Dann tauchte er für eine Weile ab, und wenn er den Faden wieder aufnahm, dann
     sorgte sein neuerliches Erscheinen dafür, daß sie etwas mehr preisgaben als bei Giampieri oder den anderen Beamten. Wenn dagegen
     er die erste Befragung durchführte und die anderen weitermachten, gab es in der Folge keine Fortschritte mehr.
    Sein Stellvertreter Giampieri, den man den »Diplom-Ingenieur« nannte, auch wenn ihm noch ein Examen und die Diplomarbeit fehlten,
     war noch keine dreißig Jahre alt. Er galt als High-Tech-Genie und formidables Arbeitstier. Er konzentrierte seine Energie
     darauf, eine möglichst große Menge an Informationen zu sammeln, um dann vom Kleinen zum Großen zu gelangen, das Gesamtbild
     aus winzig kleinen Puzzleteilen zusammenzusetzen. Er war penibel bis zur Besessenheit und vertraute blind allen Befunden der
     Kriminaltechnik, der DNA-Analyse und den Verbindungsnachweisen |29| der Telefongesellschaften. Marco Luciani sagte ihm immer wieder, wie schwachsinnig das alles sei – vor allem weil er sich
     darüber amüsierte, wie Giampieri dann auf die Palme ging. Er selbst folgte dem entgegengesetzten Prinzip; er betrachtete das
     Gesamtbild aus der Ferne und versuchte von Beginn an ein, zwei oder gar drei plausible Szenarien mitsamt Motiv zu erkennen.
     Dann demontierte er sie Stück für Stück, um zu prüfen, ob sich die wesentlichen Elemente mit den Fakten deckten. Chefsache
     war für ihn vor allem das Persönlichkeitsprofil des Opfers, er versuchte herauszufinden, welche Sehnsüchte und Ängste sein
     Leben bestimmten.
    In den Anfangsjahren warf der Kommissar Giampieri regelmäßig vor, er verliere sich in Erbsenzählerei, und trichterte ihm ein,
     daß kriminaltechnische Ergebnisse nichts nützten, solange man kein Motiv gefunden hatte, denn auch »objektive« Spuren konnten
     gefälscht sein. »Dein Problem, Nicola, ist, daß es dir an Sinn fürs Menschliche fehlt, du hockst den ganzen Tag vor dem Computer,
     und wenn du dann mit einer Person zu tun hast, weißt du nicht, wie du mit ihr umspringen sollst. Wie willst du einmal meinen
     Posten übernehmen? Du würdest einen Mörder nicht einmal dann zum Beichten bringen, wenn du dir eine Mönchskutte überzögest.«
     Der Stellvertreter gab zurück, daß der Kommissar sich in abstrakten Systemen verliere und der Meinung sei, er könne die Fälle
     wie in Kriminalromanen lösen, indem er sich auf seinen Instinkt verließ oder den Bösewichten scharf ins Auge blickte. Und
     daß es

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