FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst
mein Assistent Engler. Völlig übermüdet, kommt nie dazu, eine Frau kennen zu lernen, hat nur seine hässliche Einraumwohnung, die aus einem PC und einem Bett besteht.“
„Und ... und was soll ich da jetzt machen?“
„Wenn Sie sich für ein paar Stunden um den neunjährigen Jungen von Frau Krahmann kümmern würden, dann können wir beide Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wie wäre es mit heute Abend?“
„Na gehen würde das, zeitlich, mein ich. Ich mag Kinder.“
„Na, das ist doch ein Wort. – Sagen wir, zwanzig Uhr, hier ist die Adresse von Jutta Krahmann, den Rest lassen Sie mal meine Sorge sein ...“
„Okay, ich werde dort sein.“
„Sie haben dann was gut bei mir“, meinte Hinrich. „Bilden Sie sich aber nichts drauf ein. Das haben so ziemlich alle Frauen, mit denen ich bisher dienstlich zu tun hatte.“ Der Kommissar grinste. „Engler, komm her“, rief Hinrich nun.
Vorsichtig kam der Assistent näher. Hinrich nahm nun ihn bei den Schultern und wieder ging es ein paar Meter zur Seite. In der Zwischenzeit flüsterten selbstverständlich die beiden Psychologinnen miteinander.
„Hör zu, Toni. Ich habe ein Problem. Ich mache mir ernsthafte Sorgen um Frau Krahmann. Du weißt noch, wer das ist?“
„Natürlich. Die Mutter von Florian. Die mit dem Kindergeburtstag. Ja, ich weiß noch“, antwortete Engler. „Und was habe ich damit zu tun?“
„Na ja ... Du könntest ihr seelischen Beistand leisten. – Es ist jetzt kurz vor eins. Mein Vorschlag: Du fährst jetzt nach Hause und schläfst dich ordentlich aus. Heute Abend, zwanzig Uhr, bist du bei Frau Krahmann angemeldet, ich habe zwei Plätze im Barfußgässchen, in diesem kubanischen Restaurant reserviert. Und dann leistest du ihr seelischen Beistand! Das kannst du doch bestimmt! Ist ein Teil der Polizeiarbeit. Verstanden? Erzähl ihr was über den Stand der Ermittlungen, nimm ihr das Gefühl, schuldig am Verschwinden von Erik Schwarz zu sein, kümmere dich einfach um diese Frau. Kann ich mich auf dich verlassen? Auf den Jungen von Frau Krahmann passt unsere Nachwuchspsychologin, Frau Zander auf.“
Engler fühlte sich völlig überrannt. Trotzdem nickte er. Hinrich zu widersprechen wäre ein ernsthaftes und nicht wieder gutzumachendes Vergehen gewesen.
„Hundertprozentig?“
„Ja, Herr Kommissar. Ich hab aber kein ...“
„Geld?“
„Nein, Auto.“
„Die Papiere sind im Handschuhfach.“ Hinrich drückte Engler den BMW-Schlüssel in die Hand. „Lass dir eine Quittung geben und vermassle die Sache nicht. – Morgen früh, acht Uhr im Büro.“
Engler stolperte aufgeregt über die eigenen Füße. Dann lief er zum BMW, setzte sich hinein, stieg wieder aus, nahm die Rundumleuchte vom Dach. „Und nimm ihr einen Strauß Blumen mit!“, rief Hinrich noch. „Das macht man so!“
Engler fuhr mit seinem roten Kopf nickend los.
Hanni Polterer hakte sich bei Kriminaloberkommissar Hinrich ein. „Halunke! – Dann sind wir zwei jetzt Fußgänger?“
„Ich bereue nichts“, antwortete Hinrich. „Fräulein Zander, könnten Sie uns eben noch zur Kirchgasse chauffieren?“
„Sie sind ein verdammt guter Mensch, Holger. Und ein super Psychologe“, ließ die Hamburgerin erkennen.
„Oh, das wusste ich nicht. Herzlichen Dank. Dass ich ein guter Mensch bin, weiß ich natürlich schon lange, das sag ich mir jeden Tag.“ Und beide liefen zum Wagen der jungen Kollegin.
Minuten später langten sie an der Kirche an, der Herr Pfarrer versorgte die Kommissare kurz darauf mit heißem Tee. Auch er berichtete von diesem seltsamen Mann, den er für den Bruchteil einer Sekunde wahrgenommen hatte, und dessen Haar künstlich wirkte.
Ein Anruf im Sekretariat reichte, dann kümmerte sich die gute Frau Heinrich um die Platzreservierung im Restaurant und auch darum, dass sich einer vom Team mit einem Wagen zur Kirchstraße in Wiederitzsch aufmachte.
Hinrich stand vor der Kirche, während sich Hanni Polterer um den Pfarrer kümmerte. Wieder hatte er sein Handy in der Hand.
Er wählte aus dem Gedächtnis die Telefonnummer, die er nie aufgeschrieben hatte. Doch Jutta Krahmann ging nicht ran.
Zwei Minuten später klingelte Hinrichs Handy.
„Tut mir leid, Herr Kommissar, ich musste erst die Kasse übergeben, ich arbeite doch in einem Supermarkt.“
„Hallo, Frau Krahmann. Sie haben heute hoffentlich keine Spätschicht?“
„Nein, nein. Ich müsste gegen sechs zu Hause sein.“
„Das ist gut, Frau Krahmann. Hören Sie, es sind in der
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