FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst
Kollert, jeder Hinweis ist wichtig. Gut, dass Sie gleich angerufen haben.“
„Hm, das ist ... Ich bin so gedanklich noch mal durch, es lässt einem ja keine Ruhe ... Also heute morgen, als ich in die Haltestelle einfuhr, das ist so eine Bucht in Markkrans, ich glaube, kurz vor mir fuhr gerade ein Barkas raus ...“
„Sie sind Berufskraftfahrer, wissen Sie noch, was das für ein Typ war, die Farbe vielleicht, oder das Kennzeichen ...“
„Das Kennzeichen beim besten Willen nicht. Aber das Fahrzeug war weiß, da bin ich mir ganz sicher.“
„Könnte es sein, dass es ein Mercedes Sprinter war? Verhältnismäßig hoch ...“
„Doch, doch. Ja, das könnte sein. – Doch, doch, jetzt wo Sie es sagen ...“
„Gibt es noch etwas, Herr Kollert?“
„Nö ..., Herr Kommissar, nur ... Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, dass Sie den Erik finden.“
„Soll ich Ihnen was verraten, Herr Kollert, bleibt aber unter uns. Wir suchen nicht nur einen, es sind jetzt drei. Alle heißen Erik, alle sind neun Jahre und alle drei wohnen im Großraum Leipzig. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden entführt.“
Am anderen Ende war es plötzlich ganz ruhig. Hinrich legte auf.
„Hallo? Ja, hier Hinrich. Der Sprinter, den wir suchen, hat die Farbe weiß! Gebt das an unsere Leute durch. Okay? Und tschüss.“ Hinrich drückte auf das rote Telefon. „Immer winziger werden diese Tasten ...“ Er ließ sein Handy in die Manteltasche rutschen.
Fast im gleichen Moment kam Hanni Polterer neben einer jüngeren Dame aus dem Haus, in dem der Polizeiposten untergebracht war, schlug den Kragen ihrer dicken Regenjacke hoch und zündete sich fluchend eine Zigarette an, weil die Flamme des Feuerzeuges ständig ausgeblasen wurde. Kurz darauf trat auch Engler ins Freie.
Die Hamburgerin unterhielt sich angeregt mit der jungen Frau in Zivil.
„Werde ich nicht vorgestellt?“, fragte Hinrich und stellte sich zwischen die beiden Frauen.
„Aber sicher. Dieser Brummbär ist Oberkommissar Hinrich, der Chef der SoKo ERIK. Und die junge Kollegin Zander hier“, erklärte die Hamburgerin, „befindet sich am Beginn einer Laufbahn, die der meinen entspricht. Wir unterhielten uns ein wenig. Sie hat mit den drei Müttern gesprochen ... Psychologischer Beistand ...“
„Und Fräulein Zander, was ist ihr Eindruck von den Eltern?“, fragte Hinrich nach.
Die junge Beamtin sah den sehr direkten Kommissar an. „Die Reaktionen nach einer Entführung des eigenen Kindes sind fast immer die gleichen. Das ist auch völlig logisch. Hier geht es nicht um eine gestohlene Kreditkarte ... Und doch sind die Eltern sehr unterschiedlich. Ich habe es mit zwei Kategorien zu tun. Cornelia Schultz aus Markranstädt und hier, diese Martina Neubauer, das sind richtige Familienmütter, beide kurz vor dem Nervenzusammenbruch und völlig fertig. Das ist gut, denn wenn der Gram erst mal richtig ausgebrochen ist, dann sind die Frauen bei weiteren schlechten Nachrichten nicht so anfällig. Ganz anders ist es bei dieser alleinstehenden ... ähm bei der Christine Schwarz aus dem Tulpenweg. Es scheint, als würde sie über den Dingen stehen, eine Entwicklung, die ihr wahrscheinlich der Job und die hohe Stellung gebracht haben. Bei ihr besteht allerdings die Gefahr – auch wenn sie mit allen Wassern gewaschen scheint – dass die Wut erst später zum Ausbruch kommt. Außerdem hat sie noch ganz andere Probleme. Das Unternehmen, in dem sie beschäftigt ist, hat wohl schon vor Tagen Konkurs angemeldet. Sie erfuhr es erst heute morgen. Nicht nur deshalb haben wir veranlasst, dass eine Psychologin – vor allem zum Schutz der Tochter Melanie – auf die Familie Schwarz aufpasst. Ihr Mann ... Verzeihung, ihr ehemaliger ... der scheint noch schlimmer dran zu sein, der liebt seine Kinder über alles.“
Hinrich überlegte kurz. Dann nahm er die junge Frau an der Schulter und beide entfernten sich ein paar Meter. Hanni Polterer spitzte die Ohren, konnte jedoch nicht hören, worüber die beiden so angeregt sprachen.
„Wissen Sie, Fräulein Zander, ich sehe noch zwei ernste psychologische Problemfälle.“
„Ach so? Und die wären ...“
„Einmal ist das eine Frau Krahmann, Mutter eines Neunjährigen, unglaublich sensibel, wenngleich von sich überzeugt. Sie bildet sich ein, eine Mitschuld am Verschwinden von Erik Schwarz zu tragen. Damit liegt sie aber völlig daneben.“
„Und der zweite Problemfall?“
„Der zweite?“ Hinrich flüsterte. „Der steht direkt hinter Ihnen. Das ist
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