FreeBook Todesschwadron von Lissabon - EU Undercover Bd 1
Oliveira noch zu sagen hatte. Außerdem fragte die Beamtin sich,
wie man dem Polizeioffizier jemals eine Beteiligung an den Morden nachweisen
wollte. Oder hatte er sie sogar in Auftrag gegeben? Wie auch immer, jedenfalls
würde Oliveira wohl kaum ein Geständnis ablegen.
Die junge Frau verirrte sich beinahe in dem weitläufigen Ministerium. Hier
war von der Gemütlichkeit der Lissabonner Altstadtgassen nichts zu spüren.
Die Angestellten wirkten jung und kompetent, genau wie in Den Haag. Hier wurde
das neue Europa gemanagt, über die ehemaligen Landesgrenzen hinaus. Als
Jasmin sich darüber im Klaren wurde, empfand sie plötzlich so etwas
wie Stolz auf ihren Job. Und zwar zum ersten Mal, seit sie aus Wiesbaden nach
Den Haag gereist war. Europol erfüllte eine wichtige Aufgabe, um dem internationalen
Verbrechen internationale Ermittler entgegenzusetzen. Doch diese Erkenntnis
brachte ihr noch keinen Tee ...
Nach einigem Hin und Her landete sie in einer Cafeteria. Wie in allen südlichen
Ländern mit Kaffeetrinkerkultur war auch in Portugal das Teeangebot bescheiden.
Aber Jasmin war froh, wenigstens einen Teebeutel in einer Tasse mit heißem
Wasser ergattern zu können. Mit ihrer »Beute« machte sie sich
auf den Rückweg zur Bibliothek.
Als sie eintrat, saß Shaw wie zuvor auf seinem Stuhl. Oliveira hingegen
hockte leicht vorgebeugt da und presste ein Taschentuch auf seine Nase. Es war
rot gefärbt.
»Oh, mein Tee!«, rief Shaw leutselig. »Sehr aufmerksam, Officer
Brunner! Stellen Sie doch bitte die Tasse hierher. Danke. – Colonel Oliveira
wurde plötzlich von einem Unwohlsein befallen. Leiden Sie öfter unter
diesem unvorhersehbaren Nasenbluten?«
»Es ... es geht schon wieder«, murmelte Oliveira. In seinen Augen
las Jasmin blanken Hass auf Shaw und auf sie selbst. Die junge Polizistin erschrak,
schaffte es aber, äußerlich ruhig zu bleiben. Jedenfalls hoffte sie
das. Während sie tief durchatmete, bemühte sie sich Ordnung in ihr
Gedankenchaos zu bringen.
Was war geschehen? Nicht eine Sekunde lang glaubte Jasmin daran, dass Oliveiras
»plötzliches Unwohlsein« natürliche Gründe hatte. Shaw
musste ihn geschlagen haben, eine andere Erklärung konnte es nicht geben!
Unwillkürlich begann sie damit, ihren Vorgesetzten von der Seite zu mustern.
Shaw trank friedlich und gesittet seinen Tee, als würde er in einem Londoner
Klub sitzen. Seine Augenlider waren halb geschlossen, sein Gesicht zeigte einen
beinahe meditativen Ausdruck.
Jasmin musste wieder an Lisas Worte denken, dass Shaw ein eiskalter Sadist sei.
Ob der Senior Officer geisteskrank war? Wie konnte einem Mann, der so ein charmanter
und geistreicher Plauderer war, im Verhör die Hand ausrutschen? Die junge
Frau war zutiefst irritiert.
»Ich werde Ihre kostbare Zeit nun nicht länger in Anspruch nehmen«,
sagte Shaw zu dem portugiesischen Polizei-Colonel. »Unsere Begegnung war
äußerst ... aufschlussreich, wie ich finde. Wir sind nun hier, in
Lissabon, in Ihrer Stadt. Und wir werden nicht abreisen, bevor diese scheußliche
Verbrechensserie beendet ist. Das sollten wir alle nicht vergessen.«
»Nein, das werde ich nicht vergessen«, presste Oliveira zwischen den
Zähnen hervor. Immerhin hatte seine Nase inzwischen aufgehört zu bluten.
»Ich werde es nicht vergessen, und vor allem werde ich Sie nicht vergessen,
Senior Officer Shaw.«
Dieser Satz klang nach einer düsteren Drohung, aber der Engländer
quittierte ihn mit einem höflichen Lächeln. Oliveira gab weder Shaw
noch Jasmin zum Abschied die Hand. Er stürmte aus der Bibliothek und knallte
die Tür hinter sich ins Schloss. Shaw deutete auf eine der Bücherwände,
während er wieder in seinen sanften Gartenparty-Plauderton verfiel.
»Eine interessante Begegnung, finden Sie nicht? – Dort steht übrigens
das Gesamtwerk von Fernando Pessoa, dem portugiesischen Nationaldichter. Ein
Mann, der ein gebrochenes Verhältnis zu seiner Heimatstadt hatte. Er schrieb
über Lissabon: Noch einmal schaue ich dich wieder an. Doch nun erkenne
ich mich nicht mehr. Es brach der magische Spiegel, in dem ich mich identisch
erkannte ...« »Haben Sie ihn geschlagen?«, platzte Jasmin heraus. Das war undiplomatisch
und unhöflich, aber sie musste es einfach wissen.
»In Ihrem Land, in Germany, gibt es ein Sprichwort. Es lautet: Auf einen
groben Klotz gehört ein grober Keil. – Ich denke, Sie sollten sich
nun
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