freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
spitze Ohren.«
Lif verzog zwar die Lippen zur Karikatur eines Lächelns, zwang sein Pferd aber dann mit einer schroffen Bewegung herum und sprengte davon.
Thor sah ihm mit gemischten Gefühlen nach. Ihm war nicht wohl dabei, Lif allein wegreiten zu lassen, aber zweifellos hatteUrd das Richtige getan. Während der letzten Tage war die allgemeine Stimmung immer gereizter geworden, und vor allem Lif schien regelrecht nach einem Vorwand zu suchen, um aus der Haut zu fahren. Und ein offener Streit zwischen ihm und Elenia – oder gar ihm und Urd – war nun wirklich das Letzte, was sie gebrauchen konnten.
Außerdem hatte Urd vollkommen recht: Ihre Vorräte gingen zur Neige, und der Junge hatte sich in den zurückliegenden Tagen als überraschend geschickter Jäger erwiesen. Dass er tatsächlich fast nur Füchse erlegte, lag nicht an seinen mangelnden Fähigkeiten, sondern wohl eher daran, dass dieses Land nicht mehr zu bieten hatte.
Trotzdem gefiel es ihm nicht, ihn allein wegreiten zu lassen. Sie waren auf dem gesamten Weg hierher nicht einem einzigen Menschen begegnet, und Thor war inzwischen fast davon überzeugt, dass Bjorn die Verfolgung längst aufgegeben hatte. Einschließlich der Krieger am Götterpass hatte ihn diese Verfolgung mittlerweile acht Männer gekostet; ein Preis, von dem er hoffte, dass er selbst Sverig zu hoch war, um es noch einmal zu versuchen. Aber man konnte nie wissen …
Sie näherten sich dem Schatten vor den Bergen, und Thor sah seine Vermutung schon nach kurzer Zeit bestätigt. Es war ein weiterer Turm, der letzte in der vermeintlich endlosen Kette gemauerter Paladine, die die Berge bewachten, aber es gab dennoch deutliche Unterschiede: Gemessen an dem Zustand der letzten Türme, die sie auf ihrem Weg passiert hatten, hatte er eine weitere fast bis zur Unkenntlichkeit verfallene Ruine erwartet, aber dieses Bauwerk war nicht nur nahezu unversehrt, es war auch ungleich größer; kein Turm, sondern ein gewaltiges Bollwerk, das aus mehreren, kompliziert ineinander verschachtelten Bauten bestand und die Küste in weitem Umkreis zu beherrschen schien.
Sie wurden stiller, je mehr sie sich dem gewaltigen Bau näherten. Schon den ganzen Tag über waren sie alles andere als eine schwatzhafte Reisegruppe gewesen, nun aber wurde das Schweigen, das sie voneinander trennte, fast unerträglich. Siewurden auch langsamer, und eine gute Pfeilschussweite vor dem Turm hielten sie schließlich ganz an.
»Ich will dort nicht hinein«, sagte Elenia. Ihre Stimme klang unnatürlich laut in der Stille, die nur vom unablässigen Rauschen der Brandung unterbrochen wurde. Selbst das Geschrei der Vögel war verstummt.
Weder Urd noch er antworteten, aber Thor konnte das Mädchen verstehen. Auch er wollte nicht dorthin, nicht einmal in die Nähe dieses unheimlichen Gebäudes.
Es war nicht so, dass es sich baulich von den anderen Türmen unterschied, sah man von seiner schieren Größe ab, aber … Nein, es gelang ihm nicht, das unheimliche Gefühl in Worte zu fassen, aber irgendetwas war innerhalb dieser finsteren Mauern, das ihm zuschrie, nicht näher zu kommen.
Er gedachte nicht, diese Warnung zu ignorieren.
Statt zu widersprechen, deutete er nur auf einen Punkt neben dem größten der drei wuchtigen Hauptgebäude, wo sie wenigstens vor dem Wind geschützt waren, ohne dem Eingang zu nahe zu kommen.
Selbst die Pferde begannen unruhig zu werden, als sie weiterritten. Vor allem der Schecke sträubte sich immer heftiger, sodass Thor ihn auf dem letzten Stück schon beinahe gewaltsam hinter sich herzerren musste.
Da es nichts gab, woran sie die Tiere festbinden konnten, fesselte Thor sie kurzerhand aneinander, bevor er zu Urd und Elenia ging. Urd hatte sich einen halbwegs schneefreien Platz gesucht, um sich zu setzen, während Elenia in fast verkrampfter Haltung dastand und überall hinsah, nur nicht zu dem monströsen Bauwerk, in dessen Schatten sie standen. Als Thor sich ihr näherte, sah sie ihn nur kurz und beinahe vorwurfsvoll an und wich ein weiteres Stück zurück. Thor verzichtete darauf, ihr zu folgen oder auch nur irgendwie darauf zu reagieren, obwohl ihm ihr Benehmen einen schmerzhaften Stich versetzte. Elenia verhielt sich so, seit sie sich wieder auf den Weg gemacht hatten. Er wusste nicht, was Urd zu ihr gesagt hatte, aber es schien ihr nicht gefallen zu haben.
Thor nahm an, dass es ihm auch nicht gefallen würde, wüsste er, was es war.
Statt Elenia nachzugehen, überzeugte er sich nur davon,
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