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freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman

Titel: freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewaltig, wie für Riesen gemacht, und ihr plastisch hervorstehender Rahmen hatte die Form einer Esche, deren Wurzeln sich versteinerten Schlangen gleich in beide Richtungen über die Wand zogen, bis sie in der Dunkelheit verschwanden. Ihre tausendblättrige Krone erhob sich bis in drei- oder vierfache Höhe über die Tür, und trotz seines unvorstellbaren Alters wirkte das Relief noch immer so neu und filigran wie am ersten Tag. Das tanzende rote Licht erfüllte Yggdrasils steinerne Krone mit Bewegung und vermeintlichem Leben. Wenn er die Augen schloss, dann glaubte er sogar das Rascheln der Blätter zu hören.
    Thor verscheuchte den albernen Gedanken und trat einen Schritt zurück, um dieses unglaubliche Kunstwerk in voller Größe zu betrachten, soweit es das Licht seiner Fackel zuließ. Flüchtig fragte er sich, woher er den Namen dieses Baumes kannte – Yggdrasil, die Weltenesche –, verfolgte aber auch diesen Gedanken nicht weiter, sondern betrachtete noch einmal das brennende Holz in seiner Hand. Es war nur ein einfaches Scheit, das sehr viel schneller herunterbrannte als eine richtige Fackel, aber er war trotzdem schon lange hier drinnen. Lange genug auf jeden Fall, um Urd und ihre Tochter inzwischen ernsthaften Anlass zu geben, sich Sorgen zu machen.
    Er beschloss, noch ein kleines Stück weiterzugehen, vielleicht nur bis in den Raum hinter dieser Tür.
    Bevor er es tat, hängte er Mjöllnir wieder an den Gürtel, nicht nur, weil ihm das Gewicht des Hammers allmählich lästig wurde, sondern vielmehr, weil er nun wusste, dass er ihn nicht brauchen würde. Er spürte jetzt mehr denn je, dass hier drinnen etwas war, aber er war jetzt nicht mehr sicher, dass es tatsächlich eine Bedrohung darstellte. Und wenn, dann mit Sicherheit keine, der er mit einer Waffe begegnen konnte. Nicht einmal mit einer so mächtigen wie Mjöllnir.
    Hinter der Tür erwartete ihn nichts Dramatischeres als ein schmaler, aber sehr hoher Gang, der nach wenigen Schritten in eine steil nach oben führende Treppe mündete. Auch hier gab es Reliefarbeiten in den Wänden, denen er aber jetzt nicht mehr als einen flüchtigen Blick schenkte. Er durchquerte den Gang mit ein paar raschen Schritten, zögerte am Fuß der Treppe noch ein allerletztes Mal und stieg dann die ausgetretenen Stufen hinauf. Wie schon einmal fiel ihm auf, dass die Stufen ein wenig zu hoch waren, um wirklich bequem zu sein, sogar für ihn, und er war überdurchschnittlich groß.
    Die Treppe führte in immer steiler werdendem Winkel nach oben und mündete in einen weiteren kurzen Gang, der sichschon nach wenigen Schritten zu einem gewaltigen Saal erweiterte, in dem sich das Licht des brennenden Scheits verlor, ohne eine der Wände oder gar die Decke zu erreichen. Aber Thor spürte die Weite, die ihn umgab, und seine Schritte erzeugten nachhallende Echos an den unsichtbaren Wänden. Die Flamme in seiner Hand flackerte, und er roch Salzwasser. Irgendwo musste es ein Fenster geben, sonderbarerweise aber kein Licht.
    Er hob seine Fackel höher, wandte sich nach rechts und stand nach wenigen Schritten vor einer Wand, schwarz und fugenlos und mit denselben jahrhundertealten Darstellungen übersät, die er schon aus der großen Halle kannte. Hier und da gab es Nischen und Vertiefungen, in denen einst vielleicht Statuen gestanden hatten, die jetzt aber allesamt leer waren.
    Beeindruckt von der schieren Größe dieses Ortes, aber auch ein wenig enttäuscht, trat er von der Wand zurück und tiefer in den unsichtbaren Raum hinein. Zwei Schritte, dann noch einen, und dann blieb er so abrupt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand geprallt, und starrte den Tisch an, der in der Mitte des Saales stand.
    Er sah aus wie der Tisch aus seinem Traum, schwarz und gewaltig und genau wie die zwei Dutzend riesiger Stühle, die ihn flankierten, nicht aus Holz gemacht, sondern aus dem gewachsenen Fels herausgemeißelt.
    Es war der Tisch aus seinem Traum.
    So wie dies die Halle aus seinem Traum war.
    Das war seltsam. Er erinnerte sich nicht, eingeschlafen zu sein, aber er war eindeutig wieder in der Welt seiner Träume, nur dass er sich dieser Tatsache jetzt bewusst und dass alles um so vieles klarer und realistischer war.
    Langsam drehte sich Thor herum, legte den brennenden Scheit auf den Tisch und schritt in die Dunkelheit hinter dem Kopfende der Tafel hinein. Ohne die mindeste Überraschung sah er die Tür, die auf einen Balkon von wahrhaft zyklopischen Ausmaßen hinausführte und

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