freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
sprach sie von der ›ehrwürdigen Urd‹?
»Man kann nicht vorsichtig genug sein in Zeiten wie diesen«, antwortete Helga. »Und es ist nur für wenige Tage. Du kannst so lange hierbleiben und dich ausruhen. Ich kümmere mich um die Herrin und ihre Kinder. Sei unbesorgt.«
»Du weißt schon, dass es der sicherste Weg ist, jemanden in Sorge zu versetzen …«
»Indem man ihm versichert, dass es keinen Grund zur Sorge gibt, ich weiß.« Helga lächelte flüchtig. »Aber in diesem Fall stimmt es wirklich. Für ihre Kinder und sie wird gut gesorgt, das versichere ich dir. Jeder von uns wird sie mit ihrem Leben verteidigen, wenn es nötig ist.«
Es dauerte einen Moment, bis Thor wirklich begriff, was die Wirtsfrau gerade gesagt hatte – und was es bedeutete. Dann aber verdüsterte sich seine Laune schlagartig und so sehr, dass man es ihm wohl ansehen musste, denn die junge Frau runzelte erschrocken die Stirn.
»Dann sei so nett und richte der ›ehrwürdigen Urd‹ aus, dass ich mit ihr sprechen muss«, sagte er.
»Das halte ich für keine –«, begann Helga.
Thor unterbrach sie, zwar ohne dass sich an seinem Lächeln auch nur eine Winzigkeit änderte und im Flüsterton, aber so schneidend, dass Helga deutlich blasser wurde: »Ich kann sie auch selbst darum bitten. Oder gleich zu ihr hinübergehen. Wenn dir das lieber ist … ich glaube nur nicht, dass deine ›Herrin‹ sehr begeistert darüber sein wird.«
Die Wirtsfrau sah ihn einen Moment lang durchdringend an. Vielleicht versuchte ja sie in seinem Gesicht zu lesen, um zu entscheiden, wie ernst diese Drohung wirklich gemeint war.
Sie war es, und zu Thors Erleichterung schien Helga das auch zu spüren. Sie blieb noch einen Moment bei ihm sitzen, erhob sich aber dann und ging zu Urds Tisch hinüber, um sich nach ihren Wünschen zu erkundigen. Urd antwortete irgendetwas, und Helga beugte sich lachend vor und wechselte ein paar vermeintliche Scherzworte mit ihr. Sowohl Urd als auch – zu Thors leiser Überraschung – Lif und seine Schwester ließen sich nichts von dem anmerken, was die Wirtsfrau ihnen sagte. Schließlich lud sie das benutzte Geschirr auf ihr Brett und verschwand damit hinter der Theke, ohne Thor auch nur noch eines einzigen weiteren Blickes gewürdigt zu haben.
Schon nach wenigen Augenblicken jedoch kam sie zurück, einen frischen Becher Met in der Hand, den er nicht bestellt hatte.
»In einer Stunde, bei den Pferden«, flüsterte sie, während sie den Becher vor ihm abstellte. »Ganz hinten im Stall ist eine Tür. Aber gib acht, dass dich niemand sieht.«
Die Tür war genau dort, wo die Wirtsfrau es ihm beschrieben hatte, aber so gut getarnt, dass er sie vermutlich nicht einmal gesehen hätte, hätte er nicht genau gewusst, wonach er suchen musste. Dahinter befanden sich eine winzige, fensterlose Kammer und eine äußerst schlecht gelaunte Urd, die ihn in scharfem Ton anfuhr, noch bevor er ganz eingetreten war: »Was soll das? Willst du mit aller Gewalt dafür sorgen, dass jeder in der Stadt erfährt, wer ich wirklich bin?«
Thor schluckte die mindestens ebenso scharfe Antwort herunter, die ihm auf der Zunge lag, gewann ein paar Augenblicke damit, sich herumzudrehen und die Tür hinter sich zu schließen. Auch dann antwortete er nicht gleich, sondern versuchte in dem schwachen Licht einen Blick in Urds Gesicht zu erhaschen. Die Kammer war so klein, dass sie sich praktisch auf Armeslänge gegenüberstanden, aber es gab keine Fenster, und dieRitzen der Bretter, aus denen drei der vier Wände bestanden, waren mit Werg abgedichtet. Nur durch das strohgedeckte Dach fiel ein blassgrauer Schimmer, der Urds Gestalt zu einem gespenstischen Schemen verblassen ließ. Ein perfektes Versteck, wie er beiläufig registrierte.
»Also?«, fauchte Urd, als er auch nach etlichen weiteren Sekunden nichts sagte, sondern sie nur weiter ansah.
Thor deutete ein Schulterzucken an. »Das war vielleicht wirklich ein Fehler«, sagte er. »Wenn, dann bitte ich in aller Demut um Verzeihung. Ich wollte Euch nicht in Verlegenheit bringen, ehrwürdige Herrin … falls das die richtige Anrede ist. Oder bevorzugt Ihr einen anderen Titel, den ich möglicherweise noch nicht kenne?«
Er wusste nicht, mit welcher Reaktion sie gerechnet hatte, doch jetzt war es Urd, die schwieg und ihn nur ansah. »Oh«, murmelte sie dann. »Das ist es.«
»Ja, stellt Euch vor, ehrwürdige Herrin, das ist es«, erwiderte er kalt. »Denkt nur, ich war doch ein wenig überrascht, als
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