freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
ihm Urd ins Wort. »Und das eine Woche lang, während hundert Männer nach uns suchen? Kaum.«
»Warum nimmst du nicht einfach deinen Hammer und zerschmetterst sie alle?«, fragte Lif.
»Schweig, Lif«, seufzte Urd. »Geh voraus und sieh nach, ob der Weg sicher ist. Wenn dir irgendetwas verdächtig vorkommt, sagst du sofort Bescheid.«
Lif starrte sie trotzig an, doch ein einziger Blick seiner Mutter reichte, und er hatte es mit einem Mal eilig, zu verschwinden. Seine Schwester wollte sich ihm anschließen, doch Urd hielt sie zurück.
»Hilf mir!« Sie deutete auf einen ansehnlichen Stapel sorgsam verschnürter Bündel, die Kleider, Decken und vermutlich auch Lebensmittel enthielten, warf sich selbst eines der größten davon über die Schultern und wartete voller Ungeduld, bis ihre Tochter und Thor sich mit dem Rest beladen hatten. Vielleicht hatte sie ja doch die Wahrheit gesagt, dachte Thor. Jedenfalls schien sie sich auf eine längere Flucht vorzubereiten.
Der erste Teil zumindest dauerte nicht allzu lange. Urd nahm die schon fast heruntergebrannte Fackel von der Wand und eilte voraus, und schon nach wenigen Augenblicken begann Thor ihre Behauptung zu bezweifeln, dass es unmöglich wäre, sich eine Woche lang hier unten zu verstecken. Er hatte schon vorher gewusst, dass diese Tunnel und Säle ein riesiges Labyrinth bildeten, aber sein wahres Ausmaß wurde ihm erst jetzt richtig bewusst. Wie Urd hier die Orientierung behielt, war ihm ein Rätsel.
Schritte wurden laut, dann kam ihnen Lif entgegen. Er war mit leeren Händen losgegangen, nun aber trug er einen Sack auf den Rücken, der so schwer war, dass der Junge unter seinem Gewicht taumelte.
»Es ist alles … in Ordnung«, sagte er schwer atmend. »Hier! Das ist … für … dich.«
Thor nahm den Sack ganz automatisch entgegen, stellte fest, dass er tatsächlich so schwer war, wie es den Anschein gehabt hatte, und runzelte überrascht die Stirn, als er hineinsah.
»Mjöllnir?«
»Wir haben noch ein paar Freunde hier in der Stadt«, sagte Urd. »Ich dachte mir, dass du ihn gerne bei dir haben würdest.« Sie wandte sich an Lif. »Ist das Mädchen da?«
»Nein.«
»Dann geh und such nach ihm.«
Lif verschwand, und Thor wandte sich mit einem missbilligenden Stirnrunzeln an seine Mutter. »Hältst du es für richtig, ihn der Gefahr auszusetzen?«
»Lif ist kein kleines Kind mehr«, antwortete Urd kühl. »Er ist genauso alt wie seine Schwester. In diesem Alter mögen es Kinder nicht, noch wie Kinder behandelt zu werden. Und sie können ja auch schon fast alles, was Erwachsene können.«
»Das war jetzt nicht –«, begann Thor, und Urd ging einfach weiter. Elenia schürzte nur geringschätzig die Lippen und folgte ihr, aber sie tat es so, dass Thor nicht einmal sagen konnte, wem diese verächtliche Miene galt.
Der Weg war nun wirklich nicht mehr weit. Nach kaum zwei oder drei Dutzend weiterer Schritte erreichten sie den Ausgang; diesmal keine Treppe, sondern eine schmale Leiter, die nahezu senkrecht nach oben führte. Thor trat zur Seite und stieg als Letzter hinauf, schon weil er der wackeligen Konstruktion nicht traute. Sie knarrte und zitterte auch bedrohlich unter seinem Gewicht, hielt aber stand.
Die Leiter mündete in einem Lagerschuppen, der bis auf eine dünne Schicht Stroh auf dem Boden vollkommen leer war und so dunkel, dass sie allesamt zu Schatten verblassten. Etwas fehlte, und es dauerte auch nur einen kleinen Moment, bis Thor begriff, was: Er hatte auf das rhythmische Geräusch der Wellen gewartet, die gegen die Kaimauer klatschten, und die Mischung aus Salzwassergeruch und Abfall, die so typisch für diesen Hafen war, aber er hörte und roch nichts.
»Die Gänge reichen nicht ganz bis zum Hafen«, sagte Urd,als hätte sie seine Gedanken gelesen. Vielleicht war es ihr beim ersten Mal nicht anders ergangen. »Aber es ist nicht mehr weit. Ein, zwei Straßen. Komm.«
Der Schatten, in den sich Urds Gestalt verwandelt hatte, wollte sich herumdrehen, und wieder hielt Thor sie am Arm zurück; diesmal so fest, dass es ihr wehtun musste. »Wo ist Lifthrasil?«, fragte er misstrauisch.
»Sie ist schon auf dem Boot und wartet auf uns!«, zischte Urd wütend. »Verdammt, was glaubst du? Dass ich all das hier veranstalte, nur um zuzusehen, wie du wieder kehrtmachst? Ich weiß, dass du ohne sie nicht gehst – und stell dir vor, ich auch nicht!«
Im allerersten Moment machten ihre Worte Thor eher noch zorniger, aber dann wurde ihm auch
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