freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
das Genick gebrochen hatte und den sie ebenfalls dem reinigenden Feuer übergaben. Die Leichen der vier Männer, die Thor erschlagen hatte, und des fünften aus der unteren Höhle warfen sie die Klippe hinunter und sahen zu, wie sie im Meer versanken.
Abgesehen von dem, was sie ihm über die Zeremonie erzählte, und einigen knappen Anweisungen wechselte Urd kein einziges Wort mit ihm, bis sie schließlich wieder in die Sättel stiegen und sich auf den Rückweg machten.
Schwarzer Rauch hing über Oesengard, als sie sich der Stadt näherten und verschmolz mit dem Dunkel der hereinbrechenden Nacht, und sie konnten sehen, dass es irgendwo in der Nähe des Hafens brannte. Thor fragte sich, was geschehen war. Er hatte gehofft, dass Bjorn seine Warnung ernst genug genommen hatte, um tatsächlich den Rest seiner Männer zu holen und die Stadt zu verlassen, aber der Anblick von Rauch und Feuer ließ ihn nun an dieser Hoffnung zweifeln. Was, wenn Sverigs Ungestüm doch die Oberhand gewonnen und sich Bjorn entschlossen hatte, den Kampf aufzunehmen – einen Kampf, den er verlieren würde, der aber nur weitere sinnlose Opfer fordern würde? Er fürchtete ihn nicht, denn er wusste, dass er ihn gewinnen würde, aber er fürchtete das, was das Töten aus ihm selber machte.
Die beiden Reiter, die ihnen entgegenkamen, als sie sich der Stadt näherten, trugen jedoch nicht die Rüstungen und Waffen von Kriegern, sondern einfache schwarze Mäntel und offenes Haar. Es waren Frauen, wie er einen Moment später erkannte: Helga und eine zweite, ihm bisher unbekannte Frau, etwas älter als sie. Sie näherten sich schnell, hielten aber dann plötzlich an, und Thor konnte trotz der großen Entfernung sehen, welcher Schrecken sie durchfuhr, als sie die goldenen Gesichter ihrer beiden Begleiter erkannten und wohl auch begriffen, dass es sich nicht nur um zwei ihrer Schwestern handelte, die sich als Krieger verkleidet hatten, sondern um die Wirklichkeit hinter dem Trugbild.
Urd bedeutete den Einherjern, zurückzubleiben, und Thor und sie näherten sich den beiden Frauen allein. Helga gelang es irgendwie, seinem Blick standzuhalten, auch wenn Thor ihr ansehen konnte, wie schwer es ihr fiel, ihre Begleiterin jedoch verbeugte sich hastig und so tief, dass ihre Stirn beinahe den Halsdes Pferdes berührte, und begann am ganzen Leib zu zittern. Thor hatte Ehrfurcht erwartet, vielleicht auch Bewunderung, aber was er sah, war blanke Angst, beinahe schon Entsetzen.
War es das, was ihn erwartete, dachte er. Sollte er zu einem Gott werden, der Furcht verbreitete und sonst nichts?
»Herrin«, flüsterte Helga. Auch sie machte Anstalten, sich ehrfürchtig zu verbeugen, aber Urd hielt sie mit einer raschen Bewegung davon ab.
»Was geht da vor?«, fragte sie mit einer Geste auf den Rauch über dem Hafen.
»Sie sind da, Herrin«, antwortete Helga. »Unsere Brüder und Schwestern sind endlich gekommen!«
»Die Flotte ist schon hier?« Urd wirkte überrascht.
»Nur ein einzelnes Schiff, Herrin«, antwortete Helga. Ihr Blick streifte immer wieder Thors Gesicht, scheute aber den direkten Kontakt zu seinen Augen. »Aber es ist ein Schiff, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe, und es hat viele Krieger an Bord.« Sie sah kurz und unsicher zu den beiden Einherjern hin. »Krieger wie diese.«
»Dann haben wir gesiegt«, sagte Urd erleichtert. Sie wollte weiterreiten, aber Thor griff rasch nach ihren Zügeln und hielt sie zurück.
»Und das Feuer?«
»Bjorns Krieger und einige Männer aus der Stadt haben versucht, sie aufzuhalten«, antwortete Helga. »Aber sie hatten keine Chance. Die Überlebenden sind geflohen, zusammen mit etlichen unserer Männer.« Sie verzog kurz und verächtlich die Lippen. »Unter anderem auch Sjöblom.«
»Bjorn ist fort?«, vergewisserte sich Thor.
»Sie haben gesagt, Ihr würdet jeden töten, der sich Euch nicht unterwirft, Herr«, sagte die Frau neben Helga. Sie sah Thor nicht an, und sie sprach mit leiser, fast brüchiger Stimme. »Egal ob Mann, Frau oder Kind.«
Thor wollte instinktiv protestieren und ihr sagen, dass das nichts als eine freche Lüge war, die Sverig in die Welt gesetzt hatte, um ihn zu diskreditieren, aber dann ging ihm auf, dass erin der Tat genau das gesagt hatte. Er hatte es gewiss nicht so gemeint, wie seine Botschaft bei den Menschen hier angekommnen war, aber es waren seine Worte gewesen.
»Oesengard gehört jetzt Euch, Herrin«, fuhr Helga fort. »Wer geblieben ist, der …« Sie stockte,
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