freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
er jemals begegnet war, und wahrscheinlich auch der stärkste.
So ließ er sich widerstandslos an den Stein fesseln und schürzte nur verächtlich die Lippen. »Sollte ich mich jetzt geschmeichelt fühlen, dass mir so viel Aufmerksamkeit zuteil wird?«, fragte er.
»Du bist ein gefährlicher Mann, Loki«, erwiderte Thor.
»Das ist wahr«, sagte Sverig. »Wir sollten ihn töten.«
Thor tat ihm den Gefallen, nicht sofort zu antworten, sondern einen kurzen Moment lang so zu tun, als würde er ernsthaft über seine Worte nachdenken, bevor er den Kopf schüttelte. »Wir sind keine Mörder«, sagte er. »Und es könnte sein, dass wir ihn noch brauchen. Außerdem«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, und indem er sich wieder zu Loki herumdrehte, »bin ich Urd und dir noch eine Antwort schuldig. Du hast mich gefragt, weshalb ich mein eigenes Volk verraten hätte. Die Antwort ist im Grunde ganz einfach: Ich habe mein Volk nicht verraten. Es war nie mein Volk, so wie du nie mein Bruder gewesen bist.«
»Nein?«, fragte Loki spöttisch.
»Nein«, bestätigte Thor. »Ich erinnere mich jetzt, weißt du? Noch nicht an alles, und das werde ich vielleicht nie, aber an das meiste. Der Sturm hat unsere Flotte nicht versenkt, nicht wahr, und die Menschen dieses Landes waren es auch nicht. Wie auch, wo sie doch noch nicht einmal wussten, dass wir kamen?«
»Warum erzählst du mir das?«, fragte Loki.
»Du hast den Sturm geschickt, der die Flotte versenkt hat«, fuhr Thor unbeeindruckt fort, »und auch die Midgardschlange. War es nicht so?«
Loki antwortete gar nicht, aber Bjorn machte ein überraschtes Gesicht, und Sverig schüttelte heftig den Kopf und sah ihn an, als hätte er schon seit einer ganzen Weile gemutmaßt, dass er nicht alle seine Sinne beisammenhatte, und nun die Bestätigung dafür erhalten. »Die Midgardschlange ist eine Geschichte, mit der man Kinder erschreckt«, knurrte er.
»Ja, vielleicht«, antwortete Thor. »Aber die Flotte, die vor zehn Jahren vor der Küste eures Landes untergegangen ist, war nicht hierher unterwegs, um euch anzugreifen, Sverig, sondern um euch zu warnen.«
Er ließ seine Worte einen angemessenen Moment lang wirken und trat dann dichter an den angeketteten Gott heran. »Noch ist es nicht zu spät, Loki«, sagte er. »Es ist Blut geflossen, viel zu viel Blut, aber noch nicht so viel, dass es kein Zurück mehr gäbe.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Loki misstrauisch.
»Du weißt, dass ich Odin nicht getötet habe«, sagte Thor. Die Erinnerung stand ihm klar vor Augen: die Halle der Einherjer mit ihrer langen Tafel, die goldgerüsteten Gestalten und er mitten unter ihnen, nur dass er jetzt ihre Worte verstand und der Traum kein Traum mehr war, sondern Wirklichkeit. »Du hast es immer gewusst, nicht wahr? Du hast immer gewusst, dass ich unschuldig war, aber ich war auch immer ein Unruhestifter, der mehr als einmal deine Pläne durchkreuzt hat. Ich weiß nicht, ob du Odin getötet hast oder ob einer der anderen es war, aber es hat sehr gut in deine Pläne gepasst, mich für seinen Tod verantwortlich zu machen.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist mirgleich. Wir können das alles vergessen. Sieh in mich hinein, und du wirst erkennen, dass ich es ernst meine.«
Er konnte Loki ansehen, dass er genau das tat, und auch, wie sehr ihn das Ergebnis überraschte. »Was soll das?«, fragte er schließlich. »Selbst wenn du mich tötest, habt ihr verloren. Unsere Flotte legt in diesem Moment an. Niemand in diesem oder irgendeinem anderen Land der Welt kann uns aufhalten.«
Thor wusste, dass dies der Wahrheit entsprach. »Dieser Krieg muss nicht sein, Loki«, sagte er fast beschwörend. »Wenn Sverig und ich uns die Hand in Frieden reichen konnten, dann könnt ihr es auch. Du weißt, was geschehen wird! Es ist schon einmal geschehen, und wenn wir nicht aufhören, dann wird es wieder so sein!«
»Warum sagst du mir das?« Lokis Stimme klang genauso verächtlich wie bisher, und doch glaubte Thor zugleich auch einen ganz sachten Klang der Unsicherheit darin zu hören.
»Weil du tief in dir weißt, dass Urd sich irrt«, antwortete er. »Sie haben uns tatsächlich viel gegeben, aber was sie dafür verlangen, ist zu viel. Vielleicht war der, dem ich in dieser Nacht in den Bergen begegnet bin, ja schwach oder ich zu stark für ihn, oder es war einfach nur ein dummer Zufall … oder es waren unsere eigenen Götter, die mich beschützt haben. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass er das,
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